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Veröffentlicht am 28.04.2005 13:10:39
Der 17. Senat des Oberlandesgericht Wien widerspricht der Auffassung des 22. Senats: IP-Adressen seien nicht durch das Fernmeldegeheimnis geschützt. Tauschbörsennutzer sind damit einfach verfolgbar... Mit einem Komentar von Marc Störing
Zuletzt in WCM 231 haben wir auf Seite 61 die rechtlichen Probleme bei der Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen in P2P-Netzen erklärt. Die Teilnehmer sind nur anhand ihrer IP-Adresse identifizierbar. Da Informationen darüber nach – auch international - weit gehend einhelliger Auffassung als Teil des Fernmeldegeheimnisses betrachtet werden, sind strenge Anforderungen an die Herausgabe geknüpft. Nach § 149a StPO bedarf es in Österreich dafür vorsätzliche Straftaten, die mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht sind.
Da typische Urheberrechtsverletzungen aber keinen so hohen Strafrahmen aufweisen, blieb der einzige Ermittlungsweg damit als Sackgasse: Die Identität von P2P-Nutzern mit dynamischer IP war faktisch nicht zu klären.
Nachdem das OLG Wien zuvor mehrfach diese Auffassung vertrat, kehrte im nun bekannt gewordenen Beschluss 17 Bs 76/05h vom 30.3. der 17. Senat von dieser Auffassung ab und widersprach den Ansichten der anderen Senate. Im Kern handelt der Streit um die rechtliche Beurteilung von IP-Adressen.
Streitpunkt IP-Adressen
Die Mehrheit der Juristen unterscheidet zwischen statischen und dynamischen Adressen. Zumindest dynamische, welche sich mit jeder Einwahl ändern, seien nicht wie etwa eine Telefonnummer ein festes und rechtlich einfach abfragbares Stammdatum, sondern vielmehr ein grundrechtlich besonders geschütztes Verkehrsdatum. Nur in gesetzlich vorgesehenen Fällen darf der Staat auf solche Verkehrsdaten zugreifen, da dies ein Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen darstellt. Und unter den einzig geregelten Fall in der StPO fällt – letztlich mangels Schwere der Tat – das Verhalten der Tauschbörsennutzer nicht.
Einige Juristen gehen mit durchaus guten Gründen sogar noch weiter und halten die Unterscheiden zwischen statischer und dynamischer Adresse für falsch: Der Surfer müsse immer den gleichen Grundrechtsschutz genießen; auch die Zuordnung statischer Adressen sei deshalb bereits Verkehrsdatum.
Diesen nicht ausgefochtenen Streit stellt nun das OLG Wien überraschend auf den Kopf. Nicht etwa seien statische Adressen den dynamischen im Hinblick auf den hohen Grundrechtsschutz gleich zu behandeln, stattdessen erklärt das Gericht dem diametral entgegengesetzt, dynamische seien den statischen Adressen gleich zu behandeln, eben „wie Telefonnummern“. Es könne „keinesfalls im Belieben eines Providers gelegen sein, durch die Wahl der Vergabe entweder statischer oder dynamischer IP-Adressen einer Auskunftspflicht zu unterliegen oder nicht.“Zusätzlich verweist das OLG Wien auf die Regelung des § 18 Abs. 2 ECG (Umfang der Pflichten der Diensteanbieter).
IP-Adressen seien demnach insgesamt problemlos abfragbare Stammdaten. Einer Identifizierung von P2P-Nutzern steht demnach nichts im Wege. (MS)
Kommentar von Marc Störing
Roulette am OLG Wien
Die Reihe von widersprüchlichen Entscheidungen am OLG Wien zum Thema Auskunftspflichten setzt sich fort. Für die Beteiligten ein Roulettespiel, bei welchem Senat sie landen. Für den einen sind dynamische IP-Adressen Verkehrsdaten, der andere Senat qualifiziert sie als Stammdaten. Doch letztere Einteilung überzeugt im neusten Beschluss nicht.
Da niemals sämtliche Kunden eines Providers gleichzeitig online sind, benötigt ein Accessprovider in seinem Pool deutlich weniger IP-Adressen, als er Kunden hat. Gerade in Zeiten des alternden IPv4 werden weltweit die IP-Adressen knapp. Der RIPE, zentrale Vergabestellen für IP-Adressen, mahnt deshalb Provider an, so sparsam wie technisch möglich mit dem immer kostbarer werdenden Gut umzugehen. Neue Adressbereich erhalten die Provider nur noch, wenn sie diese Auflagen beachten.
Der Senat das OLG Wien verkennt diese Zwänge. Als könnten die Provider beliebig zwischen statischer und dynamischer Adressvergabe wählen, klingt die Urteilsbegründung beinahe so, als würden nach Ansicht des Gerichts die Provider dynamische Adressen auch deshalb wählen, um sich lästigen Anfragen zu entledigen. Wollten jedoch die österreichischen Provider jedem einzelnem Kunden seine eigene, feste IP-Adresse zuweisen, so benötigten die Diensteanbieter dafür wohl einen ungleich größeren Pool, der technisch unnötig groß wäre. Ein Widerspruch zu den Vorgaben des RIPE.
Ob der Unterschied zwischen dynamischer und statischer IP wie vom OLG Wien vertreten, damit im „Belieben eines Providers“ liegt, oder nicht doch eher durch technische Umstände definiert ist, erscheint damit wohl zweifelhaft. Und der unsägliche Vergleich mit einer Telefonnummer: Welche Rufnummer ändert sich nach jeder Benutzung des Telefons?
Wie wackelig der Standpunkt des OLG Wien ist, entgegen der ganz herrschenden Auffassung, Informationen über dynamische IP-Adressen nicht als grundrechtlich geschütztes Verkehrsdatum zu betrachten, zeigt auch die rechtliche Begründung. Das Gericht sieht seine Rechtsansicht „gestützt durch § 18 Abs. 4 ECG“. Dabei ist die Norm hier eindeutig nicht anwendbar, da sie lediglich Hostprovider betrifft, nicht, aber wie im vorliegenden Fall erforderlich wäre, Regelungen für Accessprovider trifft.
Doch die Schuld für die damit erkennbare Fehlerhaftigkeit des Beschlusses liegt nicht bloß beim OLG Wien allein. Der Gesetzgeber wäre gefordert, endlich für Klarheit im Umgang mit P2P-Netzen zu schaffen. Dass alltägliche Urheberrechtsverletzungen unaufklärbar sein sollen, ist wohl nicht nur aus Sicht mancher Gerichte problematisch.
Kommentar
fellnerPeter |
#1004 Veröffentlicht am: 29.04.2005 13:55:06
Was interessiert ein Gericht schon was die RIPE sagt, oder ob es technisch nicht möglich ist. Das sind halt Juristen für technische Fragen brauchen sie einen Gutachter. Oder wie PeeCee sagt: Auf hoher See und vor Gericht ..... |