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Das ist mir passiert! Flug-Erfahrungen aus (virtuellen) Cockpits

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Alt 14.07.2006, 00:45   #1
DonPanoz
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Beiträge: 256


Standard Nordatlantiküberquerung mit TU-144

Die virtuelle TU-144 ist ein engagiertes Freewarepaket für den Flight Simulator 2004. Sie wurde in der Januarausgabe 2005 eines bekannten Magazins getestet und vom Autor Urs Wildermuth für gut befunden. Ein Satz aus dessen Beitrag ist mir seitdem im Gedächtnis haften geblieben. Er lautet: „Allerdings zeigt dies auch, dass die 144 nie in der Lage gewesen wäre, den Nordatlantik zu überfliegen. Auch das eine historisch bewiesene Tatsache.“

Ob das wirklich stimmt? Die experimentelle Nachprüfung dieses Satzes gehörte fürderhin zu den Vorhaben, die ich in die Tat umsetzen wollte wenn die Zeit es irgendwann zulassen sollte.

Die klassischste aller Atlantikrouten ist jene von London nach New York. Sie bietet sich daher als Grundlage für die notwendigen Messflüge an. Dabei traue ich der TU-144 von vornherein nicht die volle Distanz zu und plane eine Zwischenlandung in Gander / Neufundland. Dort pausierten auch in früheren Zeiten die Atlantikflieger als Nonstoppflüge noch nicht möglich waren.

Der erste Versuch: Ich hatte vor, aus Ersparnisgründen die Nachbrenner erst nach Erreichen der Reiseflughöhe einzuschalten. Dabei zeigt sich jedoch, wie wenig ich die TU-144 kenne. Bei ca. 37.000 Fuß sind die Triebwerke nicht mehr in der Lage, den Vogel höher steigen zu lassen. Ich lasse die TU ein wenig absinken, gehe dann in den Geradeausflug und schalte die Nachbrenner ein um auf Geschwindigkeit zu kommen. Mit Redline Speed geht es dann auf die Reiseflughöhe. Dort treten nach einer halben Stunde erneut Probleme auf. Die Tupolev beginnt zu oszillieren. Man könnte die ständige Auf-und Abbewegung geradezu als „Tümmlern“ bezeichnen. Es braucht einige Zeit bis ich das Phänomen in den Griff bekommen habe und den Flug normal fortsetzen kann.
Beim Beginn des Sinkfluges stelle ich fest, dass doch ziemlich viel Treibstoff verbraucht wurde. Noch während des Eindrehens auf die letzte Etappe nach Gander ersterben die Triebwerke.

Der zweite Versuch: Also muss der Flug nochmals verkürzt werden. Ich plane eine weitere Zwischenlandung in Shannon. Auch dies ein berühmter Airport aus der Frühzeit der Transatlantikflüge. Von Heathrow nach Shannon dauert es nur eine Dreiviertelstunde. Dann wird die Tupolev nochmals vollgetankt und dann wird sie es schaffen. Oder?

Der Flug beginnt um 20 Uhr. Mit 250 kts steigen wir bis auf 10.000 Fuß, dann werden die Nachbrenner eingeschaltet und die Geschwindigkeit steigt bis auf 340 kts. Dann gehen die Nachbrenner zunächst wieder aus, die normale Triebwerksleistung reicht. Bei 36.000 Fuß geht den Triebwerken allerdings die Puste aus, die Nachbrenner treten wieder in Aktion und beschleunigen die TU-144 auf fast 400 kts (genau sind es 387).

Ich bin bei diesem Flug wie vorher schon so etwas wie der Bordingenieur und sorge für die Triebwerksleistung. Pilot im eigentlichen Sinn ist der FS Navigator, der das Flugzeug steuert. So ist gewährleistet, dass kein Pilotenfehler das Ergebnis verfälscht.
Weiter geht der Steigflug bis auf FL550. Am EOC (end of climb) stelle ich die Geschwindigkeit neu ein. Man muss etwas probieren mit Knoten und Machanzeige. Letzten Endes erreichen wir eine Endgeschwindigkeit von 447 kts, das ist Redline Speed (ca. 1,94 Mach). Wir haben noch 67% Kerosin in den Tanks.

Nach etwa 20 Minuten fällt die rote Linie etwas ab, ich muss die Geschwindigkeit leicht drosseln bis auf 430 kts. Die Nachbrenner gehen zunächst wieder aus. Weitere 20 Minuten später steigt die rote Linie wieder an, also Geschwindigkeitsvorwahl auf 446 kts und
Feuer frei!

Die nächste Zeit ist nichts zu tun und die „Landschaft“ besteht nur aus Wasser. Spannend ist nur der Blick auf die Treibstoffanzeige (die rote Schrift des Simulators, die TU hat selbst keine Anzeigen oder Tankwahlschalter. Es sind jetzt 1.230 NM bis zum BOD (beginn of descent). Als der Punkt erreicht ist, wähle ich eine Geschwindigkeit von 320 kts - sparsam wie ich bin - und verzichte im Sinkflug auf die Nachbrenner. Langsam bremst sich das Flugzeug ab. Wir haben noch 24% Treibstoff und sparen jetzt natürlich weil die Triebwerke nur noch wenig davon verbrauchen.
60 nautische Meilen vor dem Wegpunkt COLOR kommt endlich Land in Sicht. Wir haben jetzt noch 20% Kerosin in den Tanks und noch 150 weitere NM im Sinkflug zurück zu legen. Ab 15.000 Fuß stelle ich die Geschwindigkeit auf 250 kts, so hat die Tupolev genügend Zeit, sich bis zum Erreichen von 10.000 Fuß einzubremsen.

Bei 10.000 fahre ich die Vorflügel aus und knipse die Landelichter an. Bei 8.000 nehme ich die Nase der TU-144 runter und fahre die Klappen auf 15 Grad. Weiter geht es auf 5.000 Fuß mit Klappen 30 Grad und 220 kts. Als das Flugzeug auf den ILS – Gleitweg eindreht, geht das Fahrwerk raus und schließlich im Endanflug volle Klappen und eine Geschwindigkeitsvorwahl von 180 kts. Die Landung wird am Schluss händisch geflogen und gelingt.
Wir haben 2:30 Stunden für den Flug gebraucht und am Ende noch 15% Kerosin, das sind exakt 4.476 Gallonen im Centertank. Hätte es für einen go around gereicht?
Fazit: Die TU-144 kann also doch über den Nordatlantik fliegen. Sie bewältigt die Strecke von London nach NY allerdings nicht am Stück sondern braucht zwei Zwischenstopps zum Auftanken.

Das war etwas aus der Abteilung "Experimente, die die Welt nicht braucht." Trotzdem hat's Spaß gemacht.
____________________________________
Viele Grüße
Rainer

FSBeetle, der Käfer für den Flusi
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DonPanoz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.07.2006, 03:36   #2
Danny
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Hi!

War sehr schön zu lesen, ist dir super gelungen! Und noch dazu mit 'nem Russenflieger, sind eh die besten Flugzeuge

Dankeschön und liebe Grüße! Danny
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Liebe Grüße aus EDBM!
Danny

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