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Jr. Member
![]() Registriert seit: 27.01.2001
Beiträge: 30
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Hallo zusammen
Ein bekannter Pilot hat mal gesagt: Die Navigation mit den bewährten Geräten ist logisch, doch dann kam die Trägheitsnavigation und von da war alles unlogisch. Er hat mehr oder weniger recht. Trägheitsnavigation und die technische Seite daran ist so komplex, dass nicht jeder ohne Mühe damit klarkommt. Auch ich sehe noch nicht 100% durch dabei. Funktion: Ein INS misst Beschleunigungen und Verzögerungen in den drei Hauptrichtungen. In den Horizontalen und der Vertikalen. Die Beschleunigungen und Verzögerungen werden mit sogenannten Accelerometern gemessen. Diese kann man sich als kleine Pendel vorstellen, die dank der Massenträgheit in Bewegung geraten, sobald die Geschwindigkeit erhöht oder vermindert wird. Diese Bewegungen werden dann gemessen. Aus den gemessenen Beschleunigungen und Verzögerungen entsteht im Zusammenhang mit der Zeit und der Geschwindigkeit des Flugzeuges eine zurückgelegte Distanz in einer bestimmten Richtung. Mit dieser gemessenen und gerechneten Distanz lässt sich nun Navigieren. Das INS weiss durch seine Messungen, in welche Richtung das Flugzeug fliegt und wie lange und wie weit. Bei jedem Richtungswechsel oder Geschwindigkeitsänderung enstehen wieder Beschleunigungen und Verzögerungen die gemessen und in Distanz umgerechnet werden. Deshalb funktioniert das INS auch unabhängig vom Wind, da dieser, sobald er den Flieger erfasst, Beschleunigungen und Verzögerungen herrvorruft. Das INS benötigt vor dem Abflug eine Positionsangabe, dass das System weiss, von wo aus es seine Messung beginnen soll. Diese kann von Hand eingegeben werden. Bei modernen INS wird die Position automatisch vom GPS übernommen. Nun kann das System unabhängig navigieren. Das ist jedoch noch nicht alles. Damit die Beschleunigungsmesser auch immer korrekt messen, benötigt das INS die Flugzeuglage. Bei früheren INS wurden die Beschleunigungsmesser auf eine Kreiselgestützte Platform montiert, so das sie immer ihre korrekte Lage zur Erdoberfläche einhielten. Der Kreisel selbst, war mechanisch so ausgelegt, dass er sich immer selber zum Erdmittelpunkt richtete. So wurde die Erdkrümmung nicht vernachlässigt. Von dieser Platform wurde übrigens auch gleich die Lage für den künstlichen Horizont abgenommen (im Bildschirmcockpit). Zusätzlich zu den Daten der Navigationsplatform bezog das INS natürlich auch noch die Air Daten von den entsprechenden Messgeräten. Höhe, speed usw. Und nun kommt das grosse INS-Finale. Die heutigen, modernsten INS stellen alles in den Schatten. Das INS, wie es mittlerweile jeder Airbus und andere Airliner besitzen funktioniert ohne mechanische Kreisel und ohne bewegliche Teile. Dieses INS bezieht seine Lagedaten aus der sogenannten IRU, Inertial reference unit. Diese enthält die drei Beschleunigungsmesser sowie einen Laserkreisel für jede Achse. Fragt mich jetzt bitte nicht, wie der Laserkreisel funktioniert, das würde zu weit führen, das auch hier zu erklären. Im Endeffekt liefert er die selben Daten, wie ein mechanischer Kreisel. Die IRU liefert die Lagedaten für das Flugzeug und die Beschleunigungswerte. Die Airdaten und die IRU werden zusammengefasst in der sogenannten ADIRU, Air data and inertial reference unit. Die ADIRU bildet zusammen mit den entsprechenden Computern das Air data and inertial reference system ADIRS, der Hauptteil jedes INS. Wie auch die Platform früher, liefert auch das ADIRS die Lagedaten für den künstlichen Horizont auf dem Bildschirm. Dieses "Herz" des Flugzeuges kann wirklich viel. Nach dem Einschalten des ADIRS benötigt dieses etwa 10 Minutem um hochzufahren und die aktuelle Lage des Fliegers zu bestimmen. Es kann anhand der Erdrotation die Nordrichtung selber bestimmen und die genaue Lage und Ausrichtung des Flugzeuges am Boden berechnen. Zuletzt übernimmt es vom GPS die aktuelle Position und schon ist es bereit, das Flugzeug bodenunabhängig an jeden Punkt der Erde zu führen. Meiner Meinung nach eine gewaltige Leistung. Zusammen mit dem FMS und den üblichen Radionavigationsgeräten ist das INS das perfekte Navigationsgerät. Es arbeitet sehr Präzise. Bei einem Flug über den Atlantik beträgt die Abweichung etwa eine Meile. Normalerweise ist die Abweichung aber sehr viel kleiner, da das INS von den anderen Navigationsgeräten und vom GPS geupdatet werden kann. So, ich hoffe euch damit mehr oder weniger erklärt zu haben, worum es sich beim INS etwa handelt. Ich hoffe, dass ich mich verständlich ausgedrückt habe. Für weitere Fragen oder Unterlagen für Interessierte stehe ich gerne zur Verfügung. In dem Sinne bis bald und viel Spass MfG Wilko |
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#62 |
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Veteran
![]() Registriert seit: 05.12.1999
Beiträge: 406
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Hallo liebe Leser,
vielleicht noch eine kleine Ergänzung zu den beschriebenen Beschleunigungsmessern. Das Pendel darf beim Beschleunigen nicht pendeln. Stellt Euch mal vor, die Beschleunigung hört schlagartig auf. Dann müsste das Pendel ohne den geringsten Zeitverlust (!) wieder in die Ruhestellung zurück und dort ohne Überschwinger verharren. Das kann man nur mit unendlich starken Kräften hinkriegen und ist deshalb unmöglich. Dann ist es schon besser, man hält das Pendel über eine hervorragend abgestimmte Regelschleife durch Elektromagnete super exakt in der Mittelstellung. Der Strom durch die Elektromagnete ist dann ein Maß für den Beschleunigungswert. Die Berechnungen für die 3 Achsen sind dann nicht mehr schwierig. Im Prinzip gilt: Geschwindigkeitswert = Beschleunigungswert * Zeitintervall Strecke = Geschwindigkeitswert * Zeitintervall Eine einfache Multiplikation reicht nur, wenn Die Beschleunigungswerte stets konstant sind. Da das in der Praxis kaum vorkommt, muss integriert werden (im Mathe-Unterricht durch den „Fleischerhaken“ symbolisiert). Die Genauigkeit eines Trägheitsnavigationssystems wird ganz wesentlich von der Qualität seiner Beschleunigungsmesser bestimmt, denn wenn der Beschleunigungsmesser auch nur den allergeringsten Wert abliefert, obwohl das Flugzeug mit gleichbleibender Geschwindigkeit fliegt, so ergibt sich über die lange Flugzeit ein großer Geschwindigkeitsfehler und infolge eine ganz erheblich falsche Position. Ich habe das für diesen Fall mal überschlägig nachgerechnet: Falls ein Beschleunigungsmesser fälschlicherweise ein Tausendstel des Erdbeschleunigungswertes abliefern würde, dann ergibt sich über einer Stunde daraus ein Positionsfehler von 34 nautischen Meilen. Zu solchen Fehlern kann es auch kommen, wenn die Plattform nicht sehr genau ausgerichtet ist, also etwas hängt. Viele Grüße! Hans |
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#63 |
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Jr. Member
![]() Registriert seit: 27.01.2001
Beiträge: 30
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Hallo
Ja die gute alte Platform. In neuen Flugzeugen, wie dem Airbus ist das Hängen der Platform zum Glück kein problem mehr, denn da gibt es keine mechanische Platform mehr. Die ganzen Daten werden zusammen mit den Lagedaten der Laserkreisel vom Computer errechnet. MfG Wilko |
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#64 |
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Registriert seit: 08.11.1999
Beiträge: 840
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Hallo Physiker!
Wer kann etwas zur Schulerschwingung sagen? Bei den mechanischen INSsen konnte ich mir dieses Schwingungsverhalten noch irgendwie vorstellen, aber die Lasergyros schwingen genauso, wie ich höre. Happy landings! HP |
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#65 |
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Veteran
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Beiträge: 406
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Lieber HP,
allmählich habe ich so den Verdacht, dass Du uns vielleicht systematisch zum Schreiben provozierst. Für den Simmer ist es überhaupt nicht wichtig, vom Schuler-Pendel etwas zu verstehen und ich glaube auch nicht, dass ein Flugkapitän sich damit ungedingt auskennen muss. Trotzdem, diese Rubrik hat viele Leser und es schadet nicht, mal nach links oder rechts zu schauen. Wenn man am z. B. vom Äquator direkt zum Nordpol fliegt, dann hängt schon nach kurzer Flugzeit die Plattform des Trägheitsnavigationssystems schief, weil sie ja durch die Kreisel ihre Lage im Raum beibehält. Um das zu verhindern, muss die Plattform durch Stellmotoren nachgeführt werden. Wie die Plattform schief steht, kann man feststellen, wenn man die Messwerte der Bescheunigungsmesser miteinander vergleicht, und so eine von der Flugzeugbeschleunigung bereinigte Komponente der Erdbeschleunigung ermittelt. Das durch den Vergleich ermittelte Signal wird Regelverstärkern zugeführt, die dann die Stellmotoren speisen. Das Ganze ist ein Regelkreis, der erst eine Abweichung vom Sollwert braucht, damit er wirken kann. Die Plattform schwingt dann ungedämpft mit kleinster Amplitude sinusförmig um ihre Sollposition. Die Schwingungsdauer beträgt 84,4 Minuten, das kann man einer Differentialgleichung ausrechnen. Eine solche Plattform ist dann „schulerabgestimmt“ und empfiehlt sich für Flugzeiten > 84,4 : 4 = 21,1 Minuten. Der Vorteil der schulerabgestimmten Plattform ist, dass der Positionsfehler nicht ständig zunimmt, sondern periodisch zu- und abnehmen. Noch ein Wort zum Schuler-Pendel. Ein Schuler-Pendel ist ein theoretisch-mathematisches Pendel mit einer punkförmigen Masse an einem masselosen Faden gleich lang dem Erdradius. Die Schwingungsdauer bei kleinen Auslenkungen beträgt 84,4 Minuten. Das Problem der Erdabplattung bereinigt man durch ein Korrektursignal im Rechner. Sorry, wenn ich vielleicht durch diesen Beitrag nicht ganz den Stand der derzeitigen Technologie getroffen habe, ich musste dafür tief in meinem Gedächtnis kramen. Ich denke, auch bei einem System mit Laserkreiseln müssen die Beschleunigungssensoren immer richtig zu dem vom Erdmittelpunkt ausgehenden Radiusvektor stehen, und deshalb kommt man an die Nachführung nicht vorbei. Gruß! Hans [Dieser Beitrag wurde von Hans Tobolla am 05. Februar 2001 editiert.] [Dieser Beitrag wurde von Hans Tobolla am 05. Februar 2001 editiert.] |
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#66 |
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Jr. Member
![]() Registriert seit: 27.01.2001
Beiträge: 30
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Sali Hans
Eine kleine Korrektur möchte ich doch anbringen. Bei den Geräten mit Laserkreiseln gibt es keine kardanische Aufhängungen mehr und auch keine richtbare Platform für die Beschleunigungsmesser. Die ganze Korrekturen werden rechnerisch gelöst. Dazu sind natürlich massenhaft Daten notwendig, insbesondere die Lagedaten, die eben von den Lasergyros sehr präzise erfasst werden. Das ganze ist ein sehr komplexes und kompliziertes System aber es arbeitet sehr Präzise. Abweichungen sind gering, etwa eine Meile auf einem Atlantikflug. Diese Abweichung ist in wirklichkeit aber noch sehr viel geringer, da sich ein modernes Trägheitsnavigationssystem durch GPS und die herkömlichen Geräte selber updatet. MfG Wilko |
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#67 |
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Veteran
![]() Registriert seit: 05.12.1999
Beiträge: 406
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Akzeptiert, Wilko!
Aber, wenn der HP schreibt, dass es auch bei den Systemen mit Laserkreiseln diese Schuler-Schwingung gibt, dann schließe ich daraus, dass diese Laser-Systeme grundsätzlich das gleiche Problem haben wie die elektro-mechanischen Plattformen, nämlich nach jeder Flugstrecke stets zu den richtigen Beschleunigungswerten zu kommen. Das Vorhandensein der Schulerschwingung deutet stark darauf hin, dass die Problemlösung ähnlich ist wie bei den elektro-mechanischen Plattformen. Viele Grüße! Hans |
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#68 |
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Registriert seit: 08.11.1999
Beiträge: 840
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Liebe Physikerpiloten und "Nur-"piloten und alle!
Ich muss dem Hans recht geben, dass vieles in diesem Ordner ein realer Pilot gar nicht wissen muss und die meisten wohl auch nicht wissen werden! Aber wenn ich mir die Anzahl der Beiträge in diesem Ordner und darüber hinaus auch noch die Anzahl der Leser dieser Beiträge ansehe, denke ich, dass wir ein Thema aufgegriffen haben, das durchaus eine breite Leserschaft interessiert. Ich persönlich bin auf die Frage nach der Schulerschwingung gekommen, weil bei LTU ein INS, das pro Stunde Navigationszeit mehr als eine nautische Meile "weggelaufen" ist, beanstandet werden muss, damit es u. U. ausgewechselt wird. Von einem unserer Techniker habe ich aber erfahren, dass auf eine solche Beanstandung hin erst mal ein kleiner Dauertest gefahren wird, bei dem festgestellt wird, ob man beim Ablesen einer Positionsungenauigkeit nicht gerade das Maximum während einer solchen Schulerschwingung erwischt hat. Nur deswegen habe ich hier im Forum, denn wo sonst könnte ich mit mehr Sachverstand rechnen (!), nochmal nachgehakt. Besten Dank für alle Antworten! Happy landings! HP |
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#69 |
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Inventar
Registriert seit: 08.03.2000
Alter: 83
Beiträge: 1.904
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Hier noch zwei Anfaengerfragen von einem, der augenscheinlich zu bequem ist, im Internet zu recherchieren:
![]() Die Laserkreisel sind doch Rate-Gyros, oder? (geben also ein Signal abhaengig von der DrehGESCHWINDIGKEIT). Und: Die Laserkreisel sind doch fuer Beschleunigungen blind, oder? (Weil: Dann kann ich mir erklaeren, wie man ueber die Integration der Kreiseldaten die Lage errechnen und so den Gravitationsanteil bei den Beschleunigungsmessern korrigieren kann, sodass man keine stabilisierte Plattform mehr benoetigt) Bleibt das Problem: Wie korrigiere ich den unvermeidlichen Integrationsfehler der Gyro's? Vielleicht (in beschleunigungslosen Phasen) mit den Beschleunigungsmessern selbst, die dann nur noch die Gravitation sehen? Fuer alle Antworten dankbar Peterle P.S. Noch eine Ergaenzung zum Beitrag von Hans, in dem er ueber den Integrationsfehler der Pendel-Beschleunigungsmesser schreibt: Da die Beschleunigungsdaten zweimal integriert werden muessen, geht der Fehler auch noch quadratisch - erst ist alles lange ganz paletti, und dann rast die Position immer schneller vom echten Wert weg. P.P.S Die Genauigkeit von Halbleiter-Beschleunigungsmessern wird in letzter Zeit so wirksam verbessert, dass sie sich bald auch fuer Langstreckennavigation eignen werden. Dasselbe gilt fuer Halbleiter-Gyro's. Heutige verfuegbare Aufloesungen: 0.05 Milli-G (Accelerometer) bzw 30 Minuten fuer den Vollkreis (Gyros). Und bei JPL fertig (und fuer Hughes lizensiert): Ein Halbleiter-Gyro mit 10 Stunden pro Vollkreis. P.P.P.S. Und die "Halbleiter"-Gyros arbeiten mit dem .... Na? man glaubt es kaum! ... Coriolis-Effekt ![]() [Dieser Beitrag wurde von Peterle am 06. Februar 2001 editiert.] |
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