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Guru, e-Zitate & Off Topic Der WCM-Guru auch online, mysteriöse technische Angaben und sonstige 'Verlautbarungen'

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Alt 27.04.2001, 10:48   #1
TeeKiller
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Mein Computer

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Standard Wieder mal die amerikanische Rechtsprechung...

Habe gerade im heutigen Kurier einen Artikel gelesen "Zehn Jahre nach Unfall: VW muß 246Mio. an Familie zahlen..." (S. 7)

Kurz zusammengefasst: Nach einem Unfall im Jahr 91 (mit einem VW Bus) wurde ein 9jähriges Kind getötet, ein weiteres bleibt ein Pflegefall...

Die Familie hat VW verklagt, wurde allerdings in erster Instanz abgewiesen, die Berufung beim Bezirksgericht brachte jedoch die Wende und 246Mio. (einschl. 78Mio. Zinsen).

Warum? In dem VW war kein Brustgurt auf den Rückbänken vorhanden, nur ein Bauchgurt, der an den Folgen mitschuldig sein dürfte.

Jetzt ist in diesem Fall aber erstens der Fahrer des
Busses schuld an dem Unfall, zweitens war es auch er, der den Wagen mit den damals ich würd mal sagen als Standart geltenden Sicherheitsmaßnahmen gekauft hat - es war für ihn ja auch ersichtlich...

Für mich ist in diesem Falle wieder ein weiteres mal erwiesen, daß die amerikanische Rechtsprechung die absolut dümmste überhaupt zu sein scheint (wiss ma eh scho lang), bei der ein jeder Narr die Gelegenheit bekommt, vor allem große Konzerne auszunehmen. Naja, die ganze amerkanische Lebensart ist lächerlich...
____________________________________
mfg, TeeKiller
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Alt 27.04.2001, 16:24   #2
wol
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Beiträge: 2.488


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Du hast natürlich voll recht, aber eins verstehe ich nicht: Bei der angeblich so großen Macht der Wirtschaft, der multinationalen Konzerne usw. sollte sowas doch eigentlich nicht möglich sein. Und dass es diesmal ein nichtami- Unternehmen trifft, ändert auch nix an dem Wahnsinn. US-Unternehmen waren auch schon oft genug betroffen. Kann mir das wer erklären, ich überleg mir das schon seit Jahren, werd aber nicht schlau draus. Ich hab schon so oft gelesen und gehört, die Regierungen seien doch nur Marionetten der Wirtschaft usw. und dann immer wieder solche Wahnsinnsurteile.
PS. Kennt den Fall wer:
In einer Bar betrinkt sich irgendein Saufkopf und fällt vom hohen Barhocker. Dabei zieht er sich Verletzungen zu und verklagt darauf den Wirten oder Barkeeper. Der hätte sehen müssen, dass der Gast genug hat und ihm nicht mehr Alkohol ausschenken dürfen. Wie die Sache ausgegangen ist, weiß ich nicht, aber bei denen ist jeder Schwachsinn möglich. USA- das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Dort gibts wirklich alles, vom größten Schwachsinn bis zur höchstentwickelten Technologie....
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Alt 27.04.2001, 20:46   #3
Punschkrapfen
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Der Fall quält sich schon seit 1994 durch die Instanzen. 1999 wurde ein Urteil von einem Bundesgericht aufgehoben und ich glaube dass es schon einmal beim Supreme Court von New Hampshire war. Ich kann aber in der Sache nichts sagen, werde es mir aber mal durchlesen.
Grundsätzlich: Zivil- und Handelssachen sind in der Zuständigkeit der Einzelstaaten. Daher gibt es kein "amerikanisches" Recht, sondern nur das des jeweiligen Bundesstaates. Zwar wurzelt alles in der Rechtstradition des Common Law, das sich über das England des Mittelalters bis hin zum Altrömischen Recht des vorchristlichen Zeit zurückverfolgen läßt. Was aber für alle US-Einzelstaaten gilt ist die Bundesverfassung, und die garantiert für jeden Zivilprozeß eine Jury. Und die Laienrichter lassen sich in einer winzigen Zahl von Fällen zum Zuspruch von hohen punitive damages hinreissen. Das ist ein Strafschadenersatz, den das hiesige civil law nicht kennt. Und der orientiert sich unter anderem am Bußgedanken und an der Gewinnabschöpfung.
Eine Modellrechnung eines Falles den ich besser kenne mag das verdeutlichen: in Gore vs. BMW hat der Arzt Dr. Gore einen nachlackierten BMW als "neu" gekauft. Als er draufgekommen ist hat er 4000 Dollar Minderung verlangt und 4 Millionen Dollar punitve damages mit der Begründung, BMW hätte das bei 1000 anderen Kunden nachweislich auch gemacht und so hätte BMW 1000*4000 Dollar zuviel von seinem Kunden kassiert. Das müsste man jetzt einfordern. Die Jury hat ihm das auch zugesprochen.
Dass exzessive Haftung der (Volks)Wirtschaft schadet, sieht man auch in den USA schon lange. In den 60ern war die Haftung weit exzessiver als heute. Die Mehrheit der Einzelstaaten hat Gesetze erlassen, die überkompensierenden Schadenersatz nicht mehr zulassen. Manche Staaten beschneiden die Maximalhöhe des Privatschadenersatzes. Manche Staaten sehen vor, dass ein Teil an die Staatskasse oder an bestimmte Organisationen abzuführen ist, etc. Viele Regionalparlamente beschließen solche Gesetze um Unternehmen zur Ansiedlung anzulocken. Delaware ist ein bekanntes Beispiel dafür.
Dass übrigens ein "Bezirksgericht" ein Instanzgericht sein soll, ist unmöglich. Bezirksgerichte sind Erstgerichte. Offenbar hat der Supreme Court das Ersturteil kassiert und zur Neuverhandlung ausgeschrieben. Deswegen zieht sich das so. Ein Grund ist die Zweispurigkeit des US-Gerichtssystems - teilweise gibt es konkurrierende Zuständigkeiten von Einzelstaatsgerichten und von Bundesgerichten. Eine Entwicklung, die mit der Europäischen Union auch hierzulande Platz greifen wird.
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Alt 27.04.2001, 20:55   #4
Cindy
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und eine grosse mitschuld an den prozessen hat auch deren rechtssystem, das auf präzedenz(???)fällen aufgebaut ist. wenn du einen vergleichbaren fall findest in dem schon mal so und so entschieden worden ist, kannst du dich darauf berufen. daher is ein jusstudium bei denen ja auch ein auswendiglernen diverser fälle.
weiters sind die anwälte "gewinnbeteiligt" d.h. sie rufen wenn dir was passiert ist, bei dir an und bieten dir an schadensersatz für dich einzuklagen und kassieren dafür 60% von dem was sie abcashen für dich. oder solche schwachsinnigkeiten halt.


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Alt 27.04.2001, 22:52   #5
3of4
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1)Naja, am besten dokumentiert dass das Standartbeispiel: Eine Frau legt ihre Katze in die Mikrowelle, schaltet ein, und verklagt dann die Herstellerfirma, weil nicht draufsteht das man Haustiere nicht da reinlegen darf.

2)Außerdem, sind eigentlich amerikanische Schuldsprüche von so Provinzrichtern bei uns gültig, ohne zumindest vorher von irgendwo oben abgesegnet worden zu sein???

3) Werd ich mir jetzt alle Indianer, Abkömmlinge, ehem. Sklaven, usw suchen und die USA verklagen, auf so ca. das 300000 fache Bruttoinlandprodukt dort, und dann noch jede Menge Zinsen einstreichen.
____________________________________
Resistantium est futilius
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Alt 28.04.2001, 11:37   #6
Punschkrapfen
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Zitat:
Cindy hat geschrieben:
und eine grosse mitschuld an den prozessen hat auch deren rechtssystem, das auf präzedenz(???)fällen aufgebaut ist. wenn du einen vergleichbaren fall findest in dem schon mal so und so entschieden worden ist, kannst du dich darauf berufen. daher is ein jusstudium bei denen ja auch ein auswendiglernen diverser fälle.
Präzedenzfälle gibt es in allen Rechtssystemen, auch in Österreich. Im Common Law haben sie eine größere Bedeutung weil sich die Krone und später der Staat in diesen Ländern mit der Gesetzgebung stärker zurückgehalten hat und es daher mehr an den Richtern lag, eigene Regeln aufzustellen.
Ein Beispiel für Präzendenzfälle in Österreich und Deutschland ist die Rechtsprechung für Domain-Namen. Es fehlt an einer gesetzlichen Regelung dafür, aber es gibt durch Instanzentscheidungen mittlerweile in einigen Bereichen gefestigte Rechtssprechung durch entschiedene Fälle. Auf diese Fälle, wie zB die OLG München-Entscheidung zum Allianz-Urteil wird regelmäßig als Präzendenzfall verwiesen.
Die sind aber nicht in Stein gehauen. Ein Richter muss wohl begründen, warum er vom Kernargument eines Präzendenzfalles abweicht, aber er kann es tun und die obersten Gerichte tun es regelmäßig. Es ist aber eine Frage der Ökonomie - wenn ein Fall mit den gleichen Fakten bereits einmal durchdacht und rechtlich gewürdigt wurde, dann hat das meistens auch Hand und Fuß.
Zitat:

weiters sind die anwälte "gewinnbeteiligt" d.h. sie rufen wenn dir was passiert ist, bei dir an und bieten dir an schadensersatz für dich einzuklagen und kassieren dafür 60% von dem was sie abcashen für dich. oder solche schwachsinnigkeiten halt.
die contingency fee liegt meist zwischen 30-40%, ist aber immer noch ordentlich. Im Gefüge des US-Rechts hat diese Konstruktion ihre Bedeutung. Zuerst zahlt im US-Prozeßrecht immer jeder seine eigenen Prozeßkosten, selbst wenn er gewinnt. Die Beweisführung ist aber meist teuer. Würden Geschädigte aus dem Unfall in Kaprun einen Fehler des Herstellers nachweisen wollen, müssten sie Sachverständige beauftragen Gutachten zu erstellen, Materialuntersuchungen durchführen, etc. Das geht in die Millionen und ist vom normalen Geschädigten nicht zu bezahlten. In den USA wird das regelmäßig von der Anwaltsfirma vorfinanziert, wenn die sich gute Chancen ausrechnen zu gewinnen. Sollten sie aber verlieren, hat der Geschädigte keine Kosten. Verliert der Geschädigte in Österreich muss er zu allem Überfluss seinen eigenen Anwalt und den der Gegnerseite zahlen.
Und dann einer eher saloppes Argument mit zumindest einem Körnchen Wahrheit: man strengt sich auf Gewinnbasis einfach mehr an. In Österreich bekommt ein Anwalt selbst wenn er verliert volles Honorar. Sicher, er setzt seinen Ruf aufs Spiel wenn er ständig vor Gericht abstinkt, Aber trotzdem.
Und dass die Anwälte von selbst bei potentiellen Klienten anrufen soll ja nicht dem Klienten zum Schaden gereichen. Oft weiss der Geschädigte gar nicht, dass ihm Schadenersatz zustünde oder mehr, als man ihm angeboten hat. Oder er meint, gegen einen grossen Konzern "könne man eh nichts machen". Das System hat damit durchaus seine hierzulande oft gewünschte soziale Komponente - selbst der mittellose Geschädigte kann sich die besten Anwälte "leisten", wenn die Klage halbwegs Aussicht auf Erfolg hat, und trägt dabei nicht einmal ein Risiko.
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Alt 28.04.2001, 18:27   #7
wol
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@ Punschkrapfen: Du hast im Profil als Beruf Programmierer angegeben, ich habe eher den Eindruck, dass du Jurist bist. Was bist du denn nun wirklich und woher weißt du das alles???
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Alt 29.04.2001, 12:40   #8
Punschkrapfen
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Beides. Ich habe zuerst BWL, dann Informatik studiert, verschiedenste Zertifikate wie MCSE, MCSD, Java 1.1 gemacht und arbeite als Progammierer. Daneben habe ich im Februar einen Mag.iur. am Wiener Juridicum erworben und schreibe jetzt an meiner Dissertation. Die beschäftigt sich mit Einflüssen des Common Law auf das hiesige Recht, aber dem Titel nach nur auf den Bereich der punitive damages. Das ist dann für den inländischen Rechtsanwender interessant, wenn es gilt, in den USA erstrittene Forderungen hier zu vollstrecken. Dazu bedarf es einer Prüfung, ob es sich um ein Zivilurteil handelt und wenn ja, ob es dem ordre public entspricht. Beispielsweise ist schon nicht so klar, ob ein Strafschadenersatz, der den Beklagten für sein schädigendes Verhalten bestrafen soll, nicht auch ein Strafurteil ist - obwohl es von einem US-Zivilrichter in einem Zivilverfahren gefällt wurde. Würde das der hiesige Richter als Strafurteil einordnen, gibt es keine Anerkennung. Usw.. viele Fragen, interessantes Thema.

Das Urteil gegen VW in New Hampshire stellt sich übrigens als gewöhnlicher Produkthaftungsfall heraus und ist für sich nicht ungewöhnlich. Es gab schon Diskussion über die Beweislastverteilung, weil der Wagen verschrottet wurde, bevor sich Sachverständige den kaputten Gurt ansehen konnten, aber sonst sind keine Auffälligkeiten zu entdecken.
Der Kläger konnte beweisen, dass VW den Wagen damals in 4 anderen Ländern mit den besseren Gurten serienmäßig ausgestattet hat, in den USA aber nicht. Daher war die Ausstattung in den USA nicht Stand der Technik und somit war das Produkt fehlerhaft.
Weiters konnte bewiesen werden, dass den Kindern mit den besseren Gurten keine oder nur geringe Schäden entstanden wären. Zwar hat der Fahrer wohl zumindest leicht fahrlässig gehandelt, indem er mit dem Wagen auf Eis ausgerutscht ist, aber auch im österr. Produkthaftungsrecht muss der Hersteller mit einem vorhersehbarem Fehlgebrauch des Produkts rechnen. Und Absicht oder Trunkenheit etc. konnte dem Fahrer nicht nachgewiesen werden.
Zur Höhe: ein Kind ist tot, dafür wurden 1,3 Million Dollar zugesprochen. ein anderes ist geistig schwer behindert, dafür waren knapp 9 Millionen Dollar zu zahlen. Der Rest sind Zinsen. Der überlebende Bub wird den Rest seines Lebens in einem Wachkoma vegetieren; die 24h Betreuung wird wohl einen Gutteil den zugestandenen Betrag aufzehren. Der Rest ist Genugtuung, zB für das seelische Leid. Warum ein totes Kind in den USA 1,3 Millionen Dollar wert ist, in Österreich ein paar hunderttausend Schilling ist nicht (einfach) zu beantworten.
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