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Veteran
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Hallo Watsi,
so ist das nun mal beim Fliegen: Man kann gelegentlich ordentlich was dazu lernen, aber – man muß die Situation überleben! Beim Simulatorfliegen ist das Gott sei Dank kein Problem.
Nun erzähle ich dir mal eine echtes fliegerisches Abenteuer, kein Fliegerlatein, nichts habe ich weggelassen oder dazu gedichtet. Die Sache ist auch schon 20 Jahre her, also verjährt. PICs und FOs sollten jetzt lieber nicht weiterlesen, denn es könnte sein, dass sie vom vielen Kopfschütteln einen steifen Hals kriegen.
Es gibt auf unserer schönen Erde noch mehr schwierige Flugplätze. Einer davon ist Gibraltar. Die Bahn liegt in Ost-West-Richtung direkt hinter dem Affenfelsen. Klar, dass es bei Wind herrliche Wirbel gibt. Deshalb musste man vor dem Start erst mal zur Einweisung eine halbe Stunde in den Unterrichtsraum. Damals hielten die Engländer das Gebiet besetzt. Die Spanier haben sich so sehr darüber geärgert, dass sie den Platz mit Sperrzonen umgeben haben. Diese Sperrzonen haben das Anfliegen bestimmt nicht einfacher gemacht.
Wir waren vier Leute, zwei Piloten und zwei Passagiere, die es sich für einen kurzen VFR-Flug von Tanger nach Malaga in einer Cessna bequem machten. Ich war für diesen Flug dran mit dem Fliegen. Der Meteorologe hatte uns beste Sichtflugbedingungen versprochen, also nichts wie los, und die paar Dunstfetzen gleich nach dem Start waren auch kein Problem, einfach durchgestiegen, der Sonne entgegen, denn außer uns war kein weiterer Verkehr gemeldet. Die Sonne war dann auch wirklich da und beschien dicke, fette und hohe Kumuli, genau dort wo wir hin wollten, Richtung Malaga. Kein Durchkommen und unter uns plötzlich auch alles dicht. Also nichts wie umkehren und in Richtung Westen über den Atlantik ein Wolkenloch suchen, um dann unter den Wolken in VMC einen sicheren Platz anzusteuern. Das ging anfangs auch ganz gut, denn übern Atlantik war die Wolkendecke hoch genug, aber immer wenn ich nach Osten in Richtung Küste flog, senkte sich die Wolkendecke immer mehr ab. So langsam beschlich mich ein mulmiges Gefühl, zwar hatte ich noch für fast vier Stunden Sprit aber wer schrubbt schon gerne mit einer Einmot im Tiefflug über den Atlantik.
Es wurde höchste Zeit sich Profis anzuvertrauen und da gab es damals in der Gegend nur die Engländer mit ihrem exzellenten Radar auf dem Affenfelsen. So eine Radarführung wirkt sehr beruhigend wenn man in Druck ist, aber leider war in der Straße von Gibraltar bei mieser Sicht die Wolkendecke dann so tief, dass ich befürchten musste, gegen Schiffsmasten zu fliegen. Also zog ich die Cessna hoch und flog in den Wolken weiter. Die Maschine war IFR zugelassen aber mir fehlte ein kleiner, nicht ganz unbedeutender Eintrag im Beiblatt.
Irgendwie war da plötzlich eine so merkwürdige Stille im Funk, dass ich mich an den Rat eines Militärpiloten erinnerte, sofort was zu unternehmen, wenn man eine halbe Minute nichts vom Radar gehört hat, also deshalb schnell mit dem zweiten Funkgerät einen Radio-Check durchführt. Den Radio-Check bekam ich nicht, dafür aber sofort einen neuen Kurs.
Watsi, das Wetter war wirklich beschissen, aber gerade als der Radarlotse mich anwies, das Fehlanflugverfahren durchzuführen, kam ich aus den Wolken raus, direkt neben dem Affenfelsen. Eine Rechtskurve noch, so ähnlich wie in Hongkong, und dann die Landung ohne Klappen, wegen der Turbulenzen. Auf dem Tower standen viele Leute mit Ferngläsern. Das fand ich schon ziemlich merkwürdig, bei der schlechten Sicht.
Der Radaroperator hat uns Piloten dann erklärt, was geschehen ist. Wir flogen genau auf den Affenfelsen zu und konnten seine Kurskorrekturen nicht hören, weil das Funkgerät ausgefallen war, in dieser schon recht kritischen Situation war das eine echte Gemeinheit.
Aber wir hatten einen Schutzengel: Es war der Militärpilot.
Anschließend waren wir noch beim Wettermann. In der Straße von Gibraltar mischt sich oft die Atlantikluft mit der Mittelmehrluft und dann gibt es plötzlich mieses Wetter. Das hätte der „Kameltreiber“ in Tanger wissen müssen, meinte er.
Die beiden Passagiere haben nichts mitbekommen. Als es nichts mehr zu sehen gab, zogen sie es vor zu schlafen. Mein Co. hatte hinterher einen leichten Schock.
Er hatte erst seit kurzem seinen Flugschein und so etwas war in seiner Ausbildung nicht vorgekommen.
Watsi, du siehst, wie sich beim Fliegen die Gefahr entwickelt. Es fängt ganz harmlos an, mit einem kleinen Fehler...
Hans
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