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Alt 01.12.2000, 01:41   #12
hpfranzen
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Hallo Markus und alle,
sehr starke Turbulenz und Eisansatz können tatsächlich die Triebwerke "abstellen" und auch beschädigen. Mal abgesehen davon, daß man nie, nie, nie in einen CB hineinfliegen darf, eben wegen der schwersten Turbulenzen und Hagelschlag darin, empfehlen die meisten Triebwerkshersteller das Einschalten der "Continuous Ignition" (Dauerzündung) bei starker Turbulenz. Bei älteren Triebwerken, z.B. Platt und Weißnicht JT 8 (Ihr merkt, ich bin RR-Fan )war es üblich vor dem Sinkflug die Zündung einzuschalten wenn es mit Leerlaufdrehzahl abwärts ging. Bei niedrigen Drehzahlen und geringer Luftdichte ist auch ein "gesundes" Triebwerk anfällig gegen interne Strömungsabrisse und daraus resultierende Flame-outs. Insbesondere das Mitteltriebwerk der B-727 mußte wegen seines S-förmigen Lufteinlaufs auf dem Prüfstand besonders gute aerodynamische Laufeigenschaften (stall margins) aufweisen, ehe es an der Position eingebaut werden durfte! Moderne Triebwerke mit z.T. elektronisch geregelter Kraftstoffzufuhr und Ventilsteuerungen sind da weit unempfindlicher geworden.

Ein anderes Thema ist die Vereisung des Lufteinlaufs und des Spinners an Triebwerken. Diese werden (auch bei Turboprops) beheizt und diese Heizung ist beim Durchfliegen von Wolken und einer TAT (= Total Air Temperatur, Stauluft-Temperatur) von weniger als plus(!) 10 Grad C einzuschalten. Die B-757/767 schaltet dabei automatisch auch die Zündung mit ein (wie übrigens auch bei ausgefahrenen Klappen, um im An- und Abflug ganz auf Nr. sicher zu gehen). Vergißt man dieses Engine Anti-Ice-System einzuschalten (vergleichbar der Vergaservorwärmung an Kolbenmotoren) kommt es u. U. zu Eisansatz und die sich irgendwann lösenden Eisbrocken schießen dann durchs Triebwerk und wenn man Pech hat war´s das. Daß so ein Eisbrocken eine sich mit fast Schallgeschwindigkeit drehende Kompressorschaufel böse beschädigen kann, leuchtet sicher ein. Was aber wohl nicht so einleuchtet ist die Tatsache, daß ein Kompressor-Stall die Schaufeln genauso verbiegen kann, ist aber leider so!
Fazit: An simples Triebwerksversagen glaube ich persönlich nicht. Ohne Grund bleibt keines stehen und springt danach, bei Anwendung der entsprechend schlauen Checkliste, brav und unschuldig wieder an.

Um Deine weiteren Fragen zu beantworten, Markus: leichte und mittlere Turbulenz beeindruckt ein modernes Triebwerk nicht. Und Regen auch nicht. Z. B. wird in der Wartung von Zeit zu Zeit ein sog. Kompressorwaschen durchgeführt. Dabei wird in das (aus eigener Kraft) laufende Triebwerk ein satter Wasserstrahl aus einem ausgewachsenen Feuerwehrschlauch gehalten. Da freut sich der Kompressor und arbeitet hinterher besser als vorher - im Ernst!

Ich persönlich habe in 15 Jahren Verkehrsfliegerei (entspricht etwa 31.000 Triebwerksstunden )noch keinen Flame-out erlebt - schnell auf Holz klopfen! Auf dem Tristar haben wir einmal ein Triebwerk wegen erhöhter Vibrationen vorsorglich abgestellt, und auf der 757 ist uns vor etwa 1/2 Jahr ein Triebwerk stehengeblieben weil die Antriebswelle des Getriebes abgeschert ist. Dadurch ist die triebwerkseigene Hochdruck-Kraftstoffpumpe stehengeblieben und der Motor selbst sozusagen aus Kraftstoffmangel. War aber beide Male völlig undramatisch. Trotzdem wird man dafür im Stimulator trainiert. Dort fliegt man sowieso zu 95% der gesamten Zeit mit einem ausgefallenen Treibsatz!

Puh, das war wohl mein bisher längstes Posting. Gut, daß Leo auch schon geschrieben hat!

Happy Landings!

HP

[Diese Nachricht wurde von hpfranzen am 01-12-2000 editiert.]
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