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Alt 13.11.2000, 19:58   #5
MarkusV
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Hi Michael,

> Also meines Wissens wird bei den Airliner
> kein GPS verwendet, sondern das INS.Ich
> werde das mal abklären.

Nicht nötig, lass mich das gleich mal aufklären. Im Prinzip lautet die Antwort ja und nein. Der Grund ist wie folgt: (ich kann natürlich wieder nur für Boeings sprechen, die ich recht gut kenne)

ein INS in der Maschine kann wesentlich mehr als ein Flächennavigationssystem. Insbesonders kommen in einem Glascockpit alle Lageinformationen und deren Änderungen aus Daten des INS. D.h. die Attitude Information des künstlichen Horizontes auf dem Primary Flight Display (PFD) basiert ebenso auf INS-Daten wie z.B. Vertical Speed und Ground Speed. Das kann man im PS1 747-400 Simulator recht schön nachvollziehen: wenn man im Flug alle 3 INS-Geräte ausschaltet (z.B. aufgrund eines totalen Stromausfalls), dann steht auch kein PFD, keine V/S und GS mehr zur Verfügung.

Das alles kann ein GPS nicht leisten und insofern ist ein INS im Flieger nach wie vor unverzichtbar.

Das INS hat aber den dummen Nachteil der Drift, wie wir wahrscheinlich alle Wissen. Typische Abweichungen des INS - in der Standortinformation(!) (zum Glück nicht in den Lageinformationen) - betragen in der 747-400 und wohl auch Boeings mit ähnlichem System ungefähr 0.5 NM pro Stunde. Nach einem 16-Stunden Flug (New York - Hongkong) sind das schon 8 NM und sprengt damit Airwaygrenzen.

Daher wird die Flugzeugposition, die im FMC gespeichert ist, mit anderen Navigationsdaten aktualisiert. Das passiert natürlich nur, sofern diese Daten auch verfügbar sind. Vor Einführung von GPS in der kommerziellen Luftfahrt wurde der FMC (vorsicht: nicht das INS) mit Hilfe von DME-Daten aktualisiert. Aufgrund der Datenbank im FMC wusste der FMC um DME-Anlagen in Flugzeugnähe und hat bei bis zu 5(!) Anlagen gleichzeitig die DME-Entfernung gemessen (und 2 davon auf dem Navigation Display angezeigt). Nun ist DME auf 0.1 NM oder 182 Meter genau und somit genauer als INS (Rückkehrgenauigkeit!). Das gilt auch für die Schnittpunkte von Kreisen um DME-Anlagen und insofern kann man mit 2 DME-Kreisen, die sich rechtwinklig schneiden, die Position auf 182m genau bestimmen. Auf diese Weise ist daher die Position im FMC genauer als die Position des INS - sofern DME verfügbar ist.
Leider ist dies nicht immer der Fall, insbes. über See. Die Verfügbarkeit von 2 DME-Stationen zur Korrektur des INS wird auf dem Navigation Display unten rechts durch das Symbol "DD" bzw. wenn nur ein VORDME zur Verfügung steht (Standlinie und ein DME) durch "VD". Über dem Meer fehlt diese Information.

Nun gibt es aber ein System, das noch genauer als DME arbeitet und vor allem weltweit verfügbar ist. Eben GPS. Sofern GPS verfügbar ist (keine Selbstverständlichkeit), wird der FMC nicht mit DME/DME, sondern mit dem GPS aktualisiert, und am ND erscheint das Symbol "GPS(2)" oder so ähnlich.
Mit dem Einbau von GPS gibt es auch noch eine große Menge von Erweiterungen im FMC, die alle unter dem Stichwort "FANS" - Future Air Navigation - laufen. Insbes. sind mit FANS Standortmeldungen über Satelliten (anstelle von Kurzwellenfunk) und ähnlicher Luxus möglich. Was die GPS-Erweiterungen betrifft, muß gesagt werden, daß eine Information benötigt wird, die die momentane Genauigkeit von GPS anzeigt.
Wie gesagt ist GPS nicht immer verfügbar und nicht immer ausreichen genau. Entsprechen muß der FMC und auch der Pilot die Genauigkeit kennen. Diese heißt "RNP" - Required Navigation Performance - und muß besser als 2.0 NM sein.

Ich war neulich recht lange im Cockpit einer KLM 737-800 (bis zur Landung) und der Captain hat mir Teile von FANS recht schön gezeigt. Insbesonders hatte er über Brüssel einen RNP-Wert von 0.06, angezeigt auf der PROG-Page des Honeywell FMC. In meinem 747-400 Manual findet sich auch eine 60-seitige Handbuch-Ergänzung, die FANS recht schön erklärt.

Übrigens kann es schon mal vorkommen, daß das GPS nicht mehr zur Verfügung steht, z.B. weil die entsprechenden Sensoren ausgefallen sind. Dann findet sich am ND wieder das "DD"-Symbol.. ;-) Das ist vor einigen Jahren einem Qantas-Captain passiert - nach seiner Aussage das einzige Mal, wo er "DD" am ND gesehen hat.

Um kurz zusammenzufassen:
INS wird immer benötigt, schon alleine um die Lageinformationen für PFD und co. zu haben. Natürlich kommen die RNAV-Daten auch aus dem INS.
Die Drift wird mit dem genauesten zur Verfügung stehenden Navigatiossystem im FMC (!) aktualisiert. Sobald die Maschine das FANS-Update eingebaut hat, ist diese in der Regel das GPS.


Viele Grüße,

Markus


[Diese Nachricht wurde von MarkusV am 13-11-2000 editiert.]
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