"Der kommt näher- keine Ahnung ob die uns sehen...allzuviel Licht ist uns ja nicht übrig geblieben."
"Na gut...wollen wir mal kein unnötiges Risiko eingehen!" Jim sprachs, schaltete den Autopiloten aus und drückte den Flieger um ca. 500ft. nach unten. Eine gute Entscheidung, denn nur kurze Zeit später schoß die andere Maschine nur knapp hinter uns vorbei und war nun gut auf unserer linken Seite zu erkennen. Allzuviel hatte tatsächlich nicht gefehlt.
"Kannst du erkennen wer das war??"- "nicht genau, könnte aber ne Canadian DC-10 gewesen sein."
"Und was bitte machen die in dieser Gegend auf Südwestkurs ?" "keine Ahnung"..."frag doch mal Shanwick..."
Und plötzlich waren wir ganz alleine über der unendlichen Weite des Nordatlantik. Wir versuchten es immer wieder, sendeten blind in die Nacht hinaus auf allen Notfrequenzen die uns zur Verfügung standen...mehr als ab und an ein leises Zischen und Rauschen in den Kopfhörern war nicht mehr zu vernehmen. Natürlich versuchten wir es auch bei Gander Oceanic, da wir inzwischen ohnehin 3o° W passiert hatten - nichts... aber auch garnichts außer einem anhaltenden Knistern und Rauschen war zu vernehmen. Jetzt wo alles so ruhig war, war plötzlich auch Zeit zum Nachdenken. Setsamer Weise war es kein unangenehmes Gefühl, was sich nun in mir breit machte- eher eine große Stille, die Gedanken verflogen für Augenblicke und hörten schließlich fast ganz auf. Aus dem Fenster in die Schwärze starrend, war ich in diesem Augenblick mit mir und der Welt im reinen.
"Seht ihr das ??" aber den anderen schien es genauso zu gehen wie mir. Ohne zu antworten sahen sie dem großartigen Spiel der Polarlichter zu, welche uns nun umgaben. So verging die Zeit...
Es war Jim, der uns aus unserm Staunen Riß: "Männer!" sagte er leise "seht euch mal den Kompaß an..." "er schwankt ganz ordentlich" meinte ich. "Das meine ich nicht....wir fliegen nach Norden!!"
Und tatsächlich- die Skala des Kompaß zeigte nordnordwestlichen Kurs an obwohl wir laut unserem verbliebenen INS auf Westlichem Kurs sein sollten. "Der Kompaß spinnt!"..."warum sollte er?"..."na die Polarlichter- und dann in diesen hohen Breiten...." "glaube ich nicht- soviel Ablage kann es hier garnicht geben! die Deviationskarten habe ich ganz gut im Kopf. Und dann der Flieger vorhin aus vier Uhr und Richtung West Südwest...wißt ihr, was ich glaube ??"
Ja nun wußten wir es und plötzlich machte auch alles einen Sinn. Die Canadian war auf einem parallelen Track unterwegs gewesen, auf Bravo oder vielleicht sogar auf Alpha...? Sie hatten die richtige Richtung- wir waren es, die kreuzten !
Hatte unser verbliebenes INS doch etwas abgekriegt und uns im Stich gelassen...anscheinend.....und nun ? ja, was nun- die Position verloren, kein Funkkontakt mehr... letzteres mußte mit den Polarlichtern zu tun haben, wenigstens indirekt wie ich mich erinnerte, da gesteigerte Sonnenaktivität den Kurzwellenbereich zu Nichte machen konnte. Zumindest vorübergehend...
"Rob, wieviel Sprit haben wir noch an Bord?" - "in Pounds oder in Stunden?"- "sag schon!"- "laß mich rechnen.....hmmm....
gute vier Stunden, würde ich sagen". "O.k. laßt uns mal die die Karte rausholen..."- und was hilft uns das, wenn wir nichteinmal wissen wo wir genau sind ??" - "im Augenblick wenig, aber wenn wir von unserer letzten sicheren Position ausgehen und diese mit seitdem geflogener Zeit und ungefährem Heading verrechnen haben wir zumindest einen Anhaltspunkt. Das ist doch wohl besser als garnichts."
Dem konnte man nicht wiedersprechen und so überlegten und rechneten wir gemeinsam und kamen schließlich überein, daß wir uns irgendwo nahe der Südostküste Grönlands befinden mußten. Wenn wir von hier aus strikten Südwestkurs hielten, würden wir in der Gegend von Gander auf die Nordamerikanische Ostküste Treffen. Wenn unsere "errechnete" Position einigermaßen stimmte. Wenn nicht, konnte unser Flug auch irgendwo über der Hudson-Bay ein unglückliches Ende nehmen. Wenn wir nur irgendwie genau Kurs nehmen könnten.... unser Kerosinvorrat würde evenuell sogar noch bis nach Boston reichen....
"Jim, die Sterne!!"- "wie??"- "die Sterne, laß es uns doch machen wie die Alten und nach den Sternen navigieren!"
"Hab ich auf der Flugschule mal gelernt- seitdem nie wieder gebraucht- das lassen wir mal lieber sonst schreiben die Zeitungen morgen ganz sicher über uns..."
"Jim bitte, ich weiß was ich da tue..."
Ich legte meinen Kollegen dar, daß wir nur den Polarstern zu finden brauchten und daraus ein ziemlich exaktes Südwest-Heading sowie unseren gegenwärtigen Breitengrad bestimmen konnten.
Gesagt getan: der Polarstern war leicht zu finden (indem man die Vorderräder des Großen Wagen um etwa das Vierfache nach oben verlängerte). Die Winkelbestimmung, die ich dann mit Hilfe eines verstaubten Sextanten durchführte, welcher in diesen Tagen immer noch zur Ausrüstung eines jeden Langstreckenflugzeugs gehörte, ergab, daß wir uns in etwa auf dem 60 nördlichen Breitengrad befanden und unser nach Kompaß geflogenes Heading richtig war. Der gute alte Schnapskompass, wenigstens darauf war Verlaß gewesen ....
Und wenig später hatten wir dann auch den Beweis dafür, daß die althergebrachte Art der Navigation noch immer wundervoll funktionierte. Hellschimmernd lag im Mondlicht die verschneite Südküste Grönlands unter uns und wir erkannten sogar Kap Farvel, welches wir auf so vielen Reisen vorher schon gesehen hatten.
