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Alt 12.10.2006, 16:23   #36
Marc
Inventar
 
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Beiträge: 3.197


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Zitat:
Original geschrieben von wallhall
Du schreibst, dass z.B. Dealer einfach eine Gasse weitergehen um in Ruhe weiter zu dealen. Wenn aber mehr Kameras - also auch in der nächsten Gasse - aufgebaut werden, wohin gehen die Dealer dann?
In die dritte Gasse.

Von welchem Geld sollen eigentlich all die Kameras gebaut werden? Steuererhöhung für abertausende Kameras? Oder einfach ein paar Schulen weniger, und dafür mehr Kameras?

Aber setzen wir das Spielchen einfach fort, bis wir in der zehnten Gasse angelangt sind. Jetzt kann der Dealer sich aussuchen, ob er in die elfte oder in die erste Gasse geht. Denn inzwischen erzeugen die 50 Kameras in den zehn Gassen so viel Videomaterial, dass kein Mensch das mehr auswerten kann. Deshalb kann er nun ruhigen Gewissens wieder vor der ersten Kamera dealen. Denn Kameras helfen in Wahrheit ja gar nicht. Sondern nur die Menschen, die dahinter sitzen. Wenn sie es denn tun.

Und bei einem abgefahrenen Außenspiegel muss die Videoüberwachung nicht die Tat selbst, sondern "nur" den Täter aufdecken. Beim Dealen aber muss ja die Videoüberwachung erst einmal die Tat als solche aufdecken. Hier hilft kein punktuelles, morgentliches Zurückspulen, sondern nur konstante Aufmerksamkeit.

Deshalb ist Videoüberwachung meiner Meinung nach überschätzt. "Viel hilft viel" ist hier falsch. Denn im Gegenteil: Bei zu viel Bildmaterial wird immer weniger gesichtet werden können. Und wenn Personen erst einmal merken, dass hinter kaum einem digitalen Auge auch ein menschliches Gehirn sitzt, wird auch die abschreckende Wirkung entfallen.

Deshalb kann eine Videoüberwachung immer nur ganz punktuell Täter vielleicht abschrecken oder zumindest abdrängen.
Zitat:
Original geschrieben von Boot
Leider ist es so, daß man alles kontrollieren muß. Wegen 0,1% (oder weniger) der Menschheit
Ein solcher Ansatz kann deshalb nach allen bisherigen Erfahrungen und Überlegungen zur Videoüberwachung nicht funktionieren.

Delinquentes Verhalten liegt nun einmal in der Natur des Menschen. Wenn es keine Antriebe der Menschen gäbe, Gesetze zu übertreten, bräuchten wir ja keine Gesetze. (Straf-)gesetze entstehen dadurch, dass die Mehrheit der Menschen bestimmtes Verhalten nicht tolerieren will, was eine Minderheit aber eben als Verhalten zeigt.

Die Frage ist nun, wie die Gesellschaft dieses Problem anfasst. Kriminalität lässt sich nicht gänzlich beseitigen, wohl aber durch repressive und präventive Arbeit in kontrollierte Bahnen lenken. Aber gerade dem Rechtsstaat ist immanent, dass sich auch diese Bemühungen ihrerseits an ihnen gesetzte Grenzen halten müssen. Der Mensch selbst ist der höchste Zweck, und die Frage ist, inwieweit die gesetzeskonforme Mehrheit bereit ist, Einschränkungen hinzunehmen, um das kriminelle Verhalten der Minderheit einzudämmen. Dieses Verhalten ist also wiederum eine Einschränkung.

Es geht also darum, zwischen zwei Einschränkungen abzuwägen. Ich möchte beim abgefahrenen Außenspiegel nicht gerne auf meinem Schaden sitzenbleiben. Ich möchte aber auch nicht wie ein Affe im Zoo oder wie ein Bürger der ehemaligen DDR entblößt und in einem Klima des Misstrauens und der gegenseitigen Kontrolle leben. Meine Privatsphäre setzt meinem Verlangen, vor Straftaten sicher zu sein, gewisse Grenzen.

Man könnte es doch ansonsten bedingungslos fortdenken:

Ich bin für harte und brutale Folter. Denn ich habe ja nichts zu verbergen. So lässt sich besser vernehmen

Ich bin auch dafür, dass Menschen nur nackt auf die Straßen gehen. Ich habe nichts zu verbergen. So lassen sich mitgeführte Waffen viel einfacher entdecken.

Ich bin auch gegen das Bankgeheimnis. Meine Kontoauszüge sollten im Internet stehen. Ich habe nichts zu verbergen. So lassen sich Wirtschaftsdelikte besser aufklären.

Ich bin gegen Jalousien. Ich habe abends in meiner Wohnung nichts zu verbergen. So könnten Streifenbeamten viel besser einmal einen Blick werfen ...

Ich bin auch für vollständige Videoüberwachung. Ich habe nichts zu verbergen. Ist unser Leben vollständig auf Video erfasst, lassen sich Taten einfacher ermitteln.

Aber auch wenn wir nichts zu verbergen haben, liegen uns vielleicht Kleidung, Jalousien, Bankgeheimnis ... am Herzen. Wenn man denn einen Eingriff in die Privatheit darin sieht: (Jetzt trifft es leider wieder "Boot", ist aber nicht persönlich gemeint)

Zitat:
Original geschrieben von Boot
Leider ist es so, daß man alles kontrollieren muß. Wegen 0,1% (oder weniger) der Menschheit
Wer eben in der Beschränkung bis zu völligen Auflösung der Privatheit keine Einschränkung seiner Menschenwürde sieht, hat eben auch mit der Videoüberwachung kein Problem.

Eine nicht provokante aber zum Nachdenken gedachte Frage: "Boot", warum beinhalten eigentlich weder deine Postings noch deine E-Mail-Adresse auch nur in Teilen deinen realen Namen? Hast du etwas zu verbergen? Wieso sollen wir im Interesse deines Außenspiegels uns vor Kameras offenbaren, während du hier nicht deine Identität offenbarst.

Ich verlange jetzt, dass jeder hier vollständigen Namen, Adresse, Telefonnummer und Bankverbindung nennt. Es tut mir leid, aber wegen 0,1% der missbräuchlichen Nutzer hier müssen wir euch alle nun einmal kontrollieren.

Wieso hat eigentlich noch keiner von selbst diese Daten geliefert?
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