Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 06.02.2006, 10:44   #66
Marc
Inventar
 
Registriert seit: 01.03.2000
Beiträge: 3.197


Standard

Hallo Neo,

Zitat:
Original geschrieben von Neo
ich habe mit destruktiver Kritik an offenen Projekten persönlich so meine Probleme. Anscheinend haben einige das Prinzip von freien Projekten noch immer nicht ganz verstanden. Wenn etwas nicht passt kann man sich wie auch immer (viele Wege führen nach Rom) gerne selbst einbringen.
Ich habe mit diesem Maulkorb, mit dem einige Fans der Wikipedia hantieren, erhebliche Probleme. Zum einen ist es abstrakt betrachtet eine Einschränkung der Meinungsfreiheit: Es gehöre sich nicht, Dinge zu kritisieren, die jeder selbst verändern könnte. Ich halte das für unsystematisch und letztlich sogar gefährlich. Denn in letzter Instanz darf du dann etwa auch nicht die Politik kritisieren: Es geht ja alles Macht vom Volke aus, und man müsse dann eben andere Vertreter wählen.

Darüber hinaus verkennt dieser Maulkorb auch das Wesen der Enzyklopädie. Adressat eines solchen (kritischen) Berichts sind Leser, die wissen wollen, ob sie sich auf die freie Enzyklopädie verlassen können. Der typische Nutzer schlägt in Wikipedia Dinge nach, die er nicht weiß. Damit muss sich der typische Nutzer auf Wikipedia verlassen können. Ob er das kann, beantworten solche Artikel wie jener aus dem WCM. Dein Ansatz „nicht kritisieren, sondern ändern“ geht ja davon aus, dass der Nutzer grundsätzlich Dinge, die er nachschlägt, sowieso besser wüsste: Dann wäre aber Wikipedia insgesamt überflüssig.

Insgesamt halte ich es nicht für überzeugend, Kritik an einem freien Werk mit dem Hinweis der einfach Korrekturmöglichkeit zu verbieten: Das würgt Diskussionen ab, die notwendig sind. Will Wikipedia sich als Nachschlagewerk anbieten und gleichzeitig Diskussionen über die eigene Qualität verbieten? Der unfreie Brockhaus erlaubt mehr Diskussionen über seine Qualität als die freie Wikipedia? Wird bei einem freien Projekt die Meinung unfrei? Das erscheint mir widersinnig.

Ich habe im Rahmen einer Dissertation eine Meinungsverschiedenheit mit meinem Doktorvater gehabt, inwieweit Wikipedia als wissenschaftliche Quelle valide ist. Nach deiner Auffassung gehören sich solche Diskussionen nicht? Man muss sich auf Werke verlassen können. Dahin will die Wikipedia sicher auch kommen. Der Weg dorthin beinhaltet aber die Notwendigkeit der Frage danach, wie verlässlich Wikipedia eigentlich ist. Soll ich kritischen Stimmen in der wissenschaftlichen Welt ein „ändern sie es doch“ an den Kopf werfen? Soll ich Kritikern, die meine auf Wikipedia gestützten Argumente anzweifeln, weil ihnen nicht klar ist, wie verlässlich die Wikipedia-Fakten meiner Argumentation sind, auf ihr „right to leave“ verweisen?

Auch das Argument, einem schlechten Artikel könnte man auch einen guten entgegenstellen, halte ich für kaum überzeugend. Die Qualität von Wikipedia ist kein Selbstzweck. Wenn ich falschen Informationen aufsitze und damit selbst Fehler produziere, ist mir egal, ob neben dem fehlerhaften Artikel auch gute Artikel da sind.


Zitat:
Original geschrieben von Neo
Zweitens kommt mir der Artikel selbst sehr einseitig vor.
Die negative Berichterstattung liegt daran, dass Wikipedia in den letzten Wochen eher negative Schlagzeilen produziert hat. Positiv ist hingegen der Vergleich der Zeitschrift Nature – den erwähnt der Artikel ebenso wie andere Schlagzeilen. Deshalb sehe ich den WCM-Artikel auch nicht als einseitig an.

Übrigens ist Horst Prillinger ein von verschiedenen Medien zitierter, österreichsicher Medienwissenschaftler.
Marc ist offline   Mit Zitat antworten