Zitat:
Original geschrieben von ChrisM
-Weiters würde mich interessieren wie die ISP dazu stehen?
Mir ist schon klar, dass wenn man gerichtlich gegen die ISP auf Herausgabe der IP vorgeht, dass Sie das dann machen, aber wie reagieren die ISP auf bloße Anfragen von Anwälten und Firmen. Im Prinzip steht ja für die ISP der Kunde im Mittelpunkt und nicht deren Verfolgung.
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Die stehen nach der uneinheitlichen Rechtsprechung sehr in der Zwickmühle:
Gelten IP-Adressen als grundrechtlich geschützte Verkehrsdaten, dann
dürfen die Telcos nach § 93 TKG diese Daten nicht an Dritte (Anwälte, MI…) herausgeben. Einzig im Falle des § 149a StPO müssen die Diensteanbieter mit den Strafverfolgungsbehörden (und nur mit den) kooperieren. Erst indirekt durch Akteneinsicht gelangt dann die Kenntnis um die Identität der Nutzer an die Anwalte der Musikindustrie.
Der 17. Senat des Oberlandesgericht Wien hat dann der Auffassung des 22. Senats widersprochen: IP-Adressen seien demnach insgesamt problemlos abfragbare Stammdaten. Einer Identifizierung von P2P-Nutzern steht demnach nichts im Wege.
Damit stehen die Diensteanbieter nun ziemlich im Regen: Sollten sie herausgeben, oder dürfen sie es gar nicht? Hinzu kommt, dass mit § 87b UrhG ein Auskunftsanspruch besteht, dessen Tragweite ebenfalls höchst umstritten ist. In Deutschland existiert analog dazu der § 101 UrhG – hier gingen auch die Urteile kreuz und quer, ob nicht schon nach dieser Vorschrift aus dem UrhG die Provider Auskünfte geben müssen. Erst in jüngster Zeit zeichnete sich eine Linie ab, die das verneinte.
Die Provider werden über dieses Chaos nicht glücklich sein. Egal wie sie es machen, wird eine Seite aufschreien, dass sie es falsch machen.
Aus der Praxis – allerdings eher in Deutschland – kann ich dir sagen, dass die Provider im Zweifel zunächst einmal gar nichts herausgeben. Eben weil auch in Deutschland eine Strafandrohung für die Provider für den Falle einer Verletzung des Fernmeldegeheimnisses besteht.
Zitat:
Original geschrieben von ChrisM
Generell ist mir auch klar das Filesharing von geschützten Inhalten kein Kavaliersdelikt ist. Ich selbst hätte auch was dagegen wenn man meine Entwicklung ohne meine Einwilligung vervielfacht.
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Nüchtern gesprochen eben doch. Rational sachlich bezeichnet geht es hier um nebenstrafrechtliche Bagatellkriminalität. Die Rechteinhaber stehen ja gerade vor dem Problem, dass die Strafen für die Urheberrechtsverletzung so gering sind, dass § 149a StPO nicht greift, der mindestens eine Strafandrohung von einem Jahr verlangt.
Kurz: Es gibt kaum Delikte, die strafrechtlich geringer bestraft werden als Urheberrechtsverletzungen. Was ist denn dann ein Kavaliersdelikt? Falschparken ist ja nur eine Ordnungswidrigkeit.
Ich sehe letztlich hier das eigentliche, und moralische Problem: Seit Jahrzehnten dürfen Musikfans aus dem Radio aufnehmen und auch an Freunde kopieren. Nun soll aber plötzlich eine Tauschbörse nach Ansicht der MI schon kein Kavaliersdelikt mehr sein, sondern wird sprachlich sogar „Raubkopie“ auf die Stufe der Schwerstkriminalität gestellt. Raub erfordert Gewalt gegen eine Person als Mittel zur Wegnahme. Eine Urheberrechtsverletzung ist etwas anderes als eine Wegnahme: Nicht fehlt dem „Opfer“ später etwas, sondern der „Täter“ hat nur einen Zugewinn – das ist vom Unrechtsgehalt etwas ganz anderes. Insbesondere aber die Sache mit der Gewalt ist absurd. Wer einmal nachts niedergeschlagenes Opfer eines Raubes in der Fußgängerzone geworden ist, leidet vielleicht sein Leben lang unter der Angst. Damit den Tauschbörsenbetrieb auf eine Stufe zu stellen, ist eine Unverschämtheit.
Letztlich geht es doch darum, dass die Musikindustrie sich hier um ihre Gewinne sorgt. Ist es nun in einer Demokratie moralisch, breiteste Teile des Volkes mit dem, was es gerne macht, zu kriminalisieren, damit weltweit gerade einmal fünf Konzerne größere Gewinne einfahren?