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(Fortsetzung)
So, jetzt kommt der aufwendige Teil - die Anpassung der Aerodynamik in der Luft. Spätestens hier werden mehr oder weniger viele Testflüge erforderlich sein.
Ein Flugzeug wird in der Luft 4 Kräften ausgesetzt, die in 4 unterschiedliche Richtungen wirken. Das sind: Gewichtskraft, Auftrieb, Vortrieb und Widerstand. Im unbeschleunigten Horizontalflug sind Gewichtskraft und Auftriebskraft gleich (in horizontaler Ebene), aber entgegengesetzt gerichtet, Vortriebskraft und Widerstandskraft sind ebenfalls gleich (vertikale Ebene) und ebenfalls entgegengesetzt gerichtet (die Richtungen sind klar, oder?).
Um die Schubkraft und um die Gewichtskraft haben wir uns gekümmert - die beiden Kräfte sollen uns jetzt erstmal nicht jucken.
Dafür aber die Auftriebskraft und die Widerstandskraft. Und für diese Kräfte gibt es in der aircraft.cfg-Datei des zu bearbeitenden Flugzeugs dafür eigens vorgesehene Parameter.
Okay, ich will hier kein langes Vorspiel aufführen, sondern gleich zur Sache gehen. Denn es müssen jetzt mehrere Faktoren gleichzeitig berücksichtigt werden.
Komme ich erstmal zum Steigflug und zum Anstellwinkel.
(Ich gehe davon aus, dass die Maße und verschiedene Werte für Flügel und Flugzeugrumpf von Haus aus richtig eingetragen sind, denn das ist die Bedingung für das nachfolgend beschriebe Tuning und es würde zu weit gehen, all diese Werte hier zu dokumentieren.)
Die aerodynamischen Daten eines echten Airbus sagen ZUM BEISPIEL folgendes:
Bei ISA (atmosphärische Standardbedingungen) und MSL (Meeresspiegelhöhe), 95000 kg Masse, konstanten 180 KIAS (angezeigte Geschwindigkeit) und 15° Anstellwinkel, Fahrwerk eingefahren, Klappen eingefahren, beträgt die Steigrate 2000 ft/min.
Aha, schön. Dann wollen wir, dass es im FS auch so ist. Also beladen wir das Flugzeug so, dass die Gesamtmasse 96000 kg beträgt (die Differenz von 1000 kg ist der Treibstoff, den wir bis zum Steigflug verwenden werden), "resetten" das Wetter (dann ist ISA gegeben) und starten. Hier kann man ja gleich die Beschleunigung überprüfen...
Beim Start werden wir nicht exakt auf MSL sein, sondern etwas höher. Das ist nicht schlimm, denn in geringeren Höhen bis etwa 5000 ft gibt es wenig Änderungen im Vergleich zu MSL.
Wenn wir in der Luft sind, fahren wir die Klappen und das Fahrwerk ein und halten 180 Knoten. Wir ziehen oder drücken den Joystick so, dass das Variometer +2000 ft/min zeigt (geht bequem mit einem Autopilot).
Nun beobachten wir den Anstellwinkel. Beträgt er 15°, dann ist es klasse. Aber das wird wahrscheinlich nicht der Fall sein, denn sonst bräuchten wir das Flugzeug kaum zu editieren...
Ist der Anstellwinkel anders, dann muß man am Auftriebskoeffizienten schrauben. Den findet man in:
[flight_tuning]
cruise_lift_scalar=1.0
(wenn´s nicht steht, dann muss man das selber eintragen)
Ist der Anstellwinkel zu groß, so muss man den Lift-Wert vergrößern. Das führt dazu, dass dieselbe (für einen Steigflug notwendige) Auftriebskraft bei einem geringeren Anstellwinkel erreicht wird, was in diesem Fall erwünscht ist.
Umgekehrt (Anstellwinkel zu klein) muss man den Wert reduzieren.
Habt ihr den Wert verändert, dann müsst ihr das (neue) Flugzeug nun in der selben Situation wie vorher erneut testen.
Ach ja: habt ihr das zu tunende Flugzeug im FS laufen, so müsst ihr unter Flugzeugauswahlmenü eine andere Bemalung des selben Flugzeugs auswählen, damit die Änderungen wirksam werden. Gibt es keine andere Bemalung, so müsst ihr erst ein anderes Flugzeug wählen und dann wieder das zu tunende.
Okay, das Flugzeug hat nun einen realistischen Anstellwinkel bei den beschriebenen Bedingungen. Jetzt kann man testen: Wie verhält sich der Anstellwinkel bei größeren Geschwindigkeiten, anderen Steigraten, Massen, usw.?
Das vergleicht man nun mit den realen Daten (die schwer in so einer Ausführlichkeit zu kriegen sind). Sind die Abweichungen gering, was durchaus nicht selten vorkommt, dann haben wir das Flugzeug schon in einem Teil brauchbar gemacht. Notfalls kann man beim Lift-Wert einen Kompromiss finden, der allen Flugkonfigurationen einigermaßen gerecht wird.
Sind die Abweichungen sehr groß (z.B. bei 250 KIAS, 90000 kg und 0 ft/min noch satte 12° Anstellwinkel), dann muss man ran an die air-Datei fürs Feintuning. Doch das wird nur dann der Fall sein, wenn die Werte in der air-Datei wirklcih crazy sind. Wollen wir´s nicht hoffen...
Geprüft sollte der Anstellwinkel werden auch im Reiseflug. Für Jets á la Airbus und Boeing sind Werte von 3-5° normal, abhängig von der Reiseflughöhe, der Machzahl und der Masse. Auch hier gilt: Vergleichen mit den realen Daten bestätigt (oder schmettert nieder) das Handwerk...
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