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Schraufnziaga 03.06.2003 15:13

Wozu sind Winglets gut?
 
Diese Frage stellte ich mir schon öfters - und vor allem jetzt, da die Freeware FFX Boeing 737-800 nun auch als Winglet-Version zum saugen da ist.

Also, wozu diese Blechdinger an der Flügelspitze? :lol:

Peterle 03.06.2003 15:31

Aaaalso.. 'en Dampfmaschin, dat issen...
 
... jrosser, schwarzer Raum... ;)

Nein, also kurze oberflächliche Erklärung:

Da auf der Oberseite des Flügels ein geringerer Druck herrscht als unten (so sagt man ja, wenn man erklären will, warum ein Flugzeug fliegt), so führt das natürlich an den Flächenenden dazu, dass eine Strömung von unten nach oben um die Flügelenden entsteht, in Folge also ein richtiger drehender Wirbel.

In diesen Wirbeln (Wakes) steckt eine Mordsenergie (sprich: Teurer Sprit) Winglets "verlängern" diesen Strömungsweg um die Flügelenden, damit ist die Druckdifferenz pro Länge geringer und ebenso die Energie im Wake, Folge: Weniger Spritverbrauch (neben einem Dutzend weiterer Vorteile, z.B. wird ein Stall an den Flügelenden (sehr gemein) etwas hinausgezögert)...

Soweit erstmal (bevor die Diskussion um die komplizierteren Zusammenhänge losgeht) :)

Viele Grüsse
Peter

P.S. Ich hab' aber manchmal den Verdacht, die Dinger werden AUCH eingebaut/nachgerüstet, weil der Flottenchef sowas cool findet :lol:

citizen 03.06.2003 16:11

Eine kurze Anmerkung noch: Ich denke, man nennt den Widerstand, der damit reduziert wird, den "induzierten Widerstand". Auf gut deutsch heisst das also, dass das Flugzeug weniger Luftwiderstand bietet und somit weniger Sprit verbraucht, wie ja schon Peter erläutert hat.

Die Spriteinsparungen können enorm sein und betragen bei einer B737-800 ca. 5 %.

lg
Heimo

Flighter 03.06.2003 16:17

all correct! ;)

Johannes

lprandtl 03.06.2003 17:45

Wen noch mehr interessiert sollte nach den sogenannten Hufeisenwirbeln oder dem 2. Helmholtzschen Wirbelsatz gucken. Empfehlenswert ist das Buch "Der Prandtl Führer durch die Strömungslehre" von Herbert Oertel (Herausgeber, Original-Autor: Ludwig Prandtl). Ansonsten gibt es noch "Fundamentals of Aerodynamics" von John D. Anderson und auch "A History of Aerodynamics" auch von John D. Anderson. Wer nicht vor englischer Literatur zurückschreckt sollte sich das letzte Buch ggf mal anschauen. Es ist ein, wie der Name schon sagt, historischer Blick auf die Aerodynamik und in diesem Sinne kein Lehrbuch, sondern eher "Trivialliteratur". Mit der englischen Sprache sollte man aber nicht auf Kriegsfuß stehen :-)
Grüße,
Ingo

Martin_W 03.06.2003 18:13

ein weiterer Grund für die Einführung der WL war die sportlich Optik des Fliegers, neu im Handel gibts jetzt auch das KONI Sportfahrwerk. Bei Airbus wird dieses im A330 + A340 Serienmäßig mit geliefert
.

CarstenB 03.06.2003 18:29

Naja, Boing war da schneller und hat die 737 so tief gelegt, dass die Triebwerke umgebördelt werden mussten. Auch haben die die größte Fläche für Sponsorenaufkleber an der Seite :cool: :D

Peterle 03.06.2003 18:40

Ich werd' mich hüten....
 
... hier zu Boeing/Airbus irgendeinen Kommetar abzugeben :lol:

Nur zu Fokker: Die F50 hat da ja so niedliche, kleine, schnuckelige, kaum unangenehm auftragende Winglets (sehen aus wie angeknabberte Endscheiben).

Und wer hat's erfunden? (Nein, nicht Ricola, nicht die Schweizer!). Damit man da bloss nicht auf dumme Gedanken kam, haben die Holländer die Apparate deshalb nicht "Winglets" genannt, sondern...

Foklets :lol: :D :lol:

Naja, wer's braucht (brauchte) ;)

Viele Grüsse
Peter

D-MIKA 03.06.2003 19:39

das dürften die sogenannten "Wingtips" sein, zu sehen auch am A310
noch paar Jahre hin und die Enden der Dinger sind überm Flieger verbunden (Wingring) :lol:

Schraufnziaga 03.06.2003 21:33

Wow, tolle Erklärung, Peterle - danke! :)

Dachte mir das da mehr dahintersteckt als der Wunsch von Airline-Marketingfuzzis, um noch 'nen Platz zu finden, wo man das Logo draufpinseln kann! :lol:

Vor paar Jahren glaubte ich, Winglets sollen irgendwie im Kurvenflug stabilisierend wirken, naja, was weiss ich. Ist da was dran?

Aber "cool" sehen sie ja doch aus, diese Winglets!

Mann, Iprandtl, "2. Helmholtzscher Wirbelsatz" - das klingt ja schon nach Quantenphysik! :eek:

Nochmal danke, Leute!

Huss 03.06.2003 22:23

Zitat:

Original geschrieben von citizen

Die Spriteinsparungen können enorm sein und betragen bei einer B737-800 ca. 5 %.

Hallo Heimo, Peterle und @ll ;-)

Also auf diese Werbebotschaft bin ich auch reingefallen....anfangs.

Aufgrund eines Fotos der "Staatsloterie":

http://www.fysb.de/viewfile.htm?Pax_...MWZiZGJjM2.jpg

von der Transavia das ich mal gemacht habe schrieb mich einer der PIC's von denen an.

Dann habe ich das ganze nochmals verifizieren versucht bei einem "heimischen Winglet-Flugzeug-einsetzer" ;-).

Es sieht in der Praxis jedenfalls etwas durchwachsen aus:
Die Transavia WL braucht bis zu 4,4% mehr Sprit als die "normale" 737-800!
Die WL sind um 1,2t schwerer als die "normalen", da die Winglets einiges an Gewicht haben und im hinteren Ladebereich ein Förderband eingebaut ist:

http://www.luftfahrt.net/galerie/showpix.php?id=8481

Dei paar % "bessere" Flugeeigenschaften merkt man in der Praxis so gut wie nicht (denn die Schwankungen in der Realität sind viel größer)

Es ist aber generell so, daß trotzdem ein gewisser mehr/weniger Verbrauch schwer zu belegen ist - Es hängt auch vom Einsatz ab. Der Flieger ist schwerer, man kann auch mehr einladen... etc.

Die meisten Leute sind jedenfalls der Meinung das die Boeingwerte von bis zu 4% Ersparniss viel zu hoch sind... Sie sind wohl unter 2%.

Lauda hat damals keine WL bestellt, weil Boeing ja genau weiß wie lang ein Flugzeug lebt, wieviel Ersparniss sie bringe und verlangt an die 2/3 der "eingesparten" Spritmenge an Kosten mehr für die WL.

Das alles ist aber sowieso nur mehr "historisch" interessant - denn es wird seit einiger Zeit (ich glaub Mitte 2001) ja nur noch WL geliefert.

lprandtl 03.06.2003 22:55

Zitat:

Mann, Iprandtl, "2. Helmholtzscher Wirbelsatz" - das klingt ja schon nach Quantenphysik!
Ist doch "nur" Aerodynamik :rolleyes:

Schon klasse, so hat man mit zwei Sätzen vorgetäuscht, man hätte Ahnung. Rechnen könnte ich es (noch) nicht ... allerdings habe ich innerhalb der nächsten paar Monate auch eine Prüfung im Fach Aerdoynamik angepeilt, da sollte man dann doch Bescheid wissen :confused:

Grüße,
Ingo

BeatmasterAlex 05.06.2003 12:22

Und aufgrund des Stichwortes:

Noch quantenmechanische Grüsse vom GEO600-Team ;-)

Alex

alexee on a B747 07.06.2003 18:08

Zitat:

Original geschrieben von D-MIKA
das dürften die sogenannten "Wingtips" sein, zu sehen auch am A310
noch paar Jahre hin und die Enden der Dinger sind überm Flieger verbunden (Wingring) :lol:

Du meinst wohl den A300, der A310 hat doch schon größere Endstück, die man schon als Winglet bezeihnen kann.

ThomasWinter 17.06.2003 11:56

Winglets...nette Sache
 
Hi Leute,

als alter Segelflieger muss ich auch mal meinen Senf zu der Winglet-Geschichte geben.

Winglets sind dazu da, um den sog. induzierten Widerstand zu verringern. Um zu begreifen warum möchte ich euch mal kurz die Hintergründe erläutern (Peterle hat ja schon vorgegrifen, ich versuchs jetzt mal etwas genauer):

Durch die Profilwölbung entstehen auf Ober- und Unterseite unterschiedliche Strömungsgeschwindigkeiten. Die Differenz beider Geschwindigkeiten und damit der auszugleichende Druckunterschied ist umso höher, je "dicker" der Flügel ist. Dieser "Druckausgleich" findet zu größten Teilen am Randbogen des Flügels statt. Es entstehen die sog. Wirbelschleppen. (induzierter Widerstand). Man versucht also das Flügelprofil auf möglichst kleiner Länge möglichst dünn zu bekommen um eben auch die Druckunterschiede kleiner zu kriegen. Da man dass aber nicht horizontal machen kann, weil sich sonst am äußeren Flügelteil extrem hohe Strömungsgeschwindigkeiten bilden und dadurch diverse Probleme bezüglich flattern, highspeed-stall usw. auftreten können, sind diese Bereiche mit super-laminarem (flachem, dünnem) Profil nach oben gebogen. Dadurch können sie keinen Auftrieb erzeugen. Dies beugt den oben genannten Gefahren vor.

Ganz wird man diesen induzierten Widerstand wohl nie wegbekommen, denn ein Druckunterschied ist immer da. Egal wie dünn das Profil außen schon ist. Es gab vor einigen Jahren mal verschiedene Überlegungen wie man denn das Problem noch lösen könnte. Das ging von "Winggrids" (einem Ansteckflügel der wie ein Gurkenhobel aufgefächert ist) bis hin zu den (das Wort ist oben schonmal gefallen) Wingrings. Hier wird der Flügel aber nicht ums Flugzeug gebaut, sondern einfach ein Ring als Randbogen konstruiert. Man könnte in Flugrichtung durchschauen. Die Idee war grundsätzlich sehr gut, (Lässt man den Flügel nicht enden, findet kein Ausgleich am Randbogen statt) scheiterte aber an anderen Sachen. Man müsste für diesen "Wingring" ein symetrisches Profil entwickeln, weil ja durch die Wölbung nach oben der "obere" Teil der Wingrings quasi im "Rückenflug" wäre. (Eigenartiges Strömungsverhalten) Symetrischen Profilen wäre das grundsätzlich egal, sie haben aber den Nachteil, dass sie bei hohen Geschwindigkeiten sehr viel Widerstand bieten. (Übrigens: Airliner haben Laminar-Profile). Da dieser Widerstand leider größer ist als der induzierte Widerstand NACH Winglets erwies sich diese Idee als unwirtschaftlich. Außerdem gab es diverse Probleme mit der Stabilität.

Für Interessierte:

DAS WINGGRID -> http://www.winggrid.ch/

Zum "Wingring" habe ich leider keine URL parat. Es gab aber mal einen schönen Bericht im Aerokurier dazu.

Die Flugeigenschaften verbessern sich teilweise (je nach Auslegung) erheblich. Das lässt sich allerdings nur in kleineren Flugzeugen feststellen, denn die großen Kisten kommen in solche Flugzustände gar nicht rein.

Beispiel:

Ich besitze eine LS7 (Rennklasse-Segelflugzeug, Insider wissen vielleicht Bescheid). Diese LS7 hatte eine relativ kritisches Profil was Anstellwinkel betraf. Sie hatte beispielsweise die Eigenart, wenn der Pilot aus dem schnellen Vorflug (150 km/H) ein die Thermik eingestiegen ist (hochziehen, einkreisen), dass sie manchmal ganz einfach einen Ströumgsabriss am jeweils kreisäußeren Flügel gehabt hat, dann zur Außenseite hin abgekippt ist und in stationäres Trudeln überging. Das kostete in ihrer Geschichte 2 Piloten das Leben. Sie bekam dadurch einen schlechten Ruf und ihre Produktion wurde eingestellt. Der Hersteller entwickelte wenig später Winglets für die Maschine. Und siehe da. Das Abreiß-Verhalten konnte damit ausgemerzt werden. Sie fliegt jetzt auch im Kreisflug in der Thermik deutlich stabiler. Wie gesagt. Das sind Extremfälle. Einem Airliner wird das vermutlich nicht passieren. Hier ist wohl das Hauptaugenmerk auf den Spritverbauch gelegt. Ein Vereinsmitglied bei uns fliegt auf der 737-800 bei HLX und meint auch, dass durch die Winglets ca 4-5 % Treibstoff eingespart werden können. Ist also nicht nur Werbung.

Zu guter Letzt sehen die Dinger natürlich auch toll aus. Ich möchte sie an meiner LS7 nicht mehr missen. Natürlich auch, weil ich beim Eindrehen ins Endteil nicht so mir nichts dir nichts 2 Umdrehungen nach unten machen möchte. Kann dann schon knapp werden.

Ich hoffe ich konnte euch die Zusammenhänge ein bisschen erläutern und auch ein wenig Info's drum rum geben.

Wow. Jetzt tun mir die Finger weh ;-)

Gruß

Thomas

Peterle 17.06.2003 14:19

Thomas, Danke für...
 
... Deinen Beitrag.

Ich gab' so das Gefühl, dass man optimale Eigenschaften bei ALLEN Zuständen letztlich wohl nur durch eine sehr variable Flächen-Geometrie hinbekommt:

Winggrids (boah, Gurkenhobel :( ), rechteckige Form und starke Schränkung beim Langsamflug (so machen's die Geier (mit ihrem Gurkenhobel :lol: ) ja auch ;) ), Wingtips, elliptische oder starke Pfeilform beim Schnellflug, dazu geschwindigkeitsabhängig Vortexgeneratoren und Grenzschichtzäunne zum Ausfahren.

Von der Natur lernen heisst siegen lernen ;)

Nee, ich mein's tatsächlich ganz ernst - leider wird's wohl noch ein bischen dauern, bis man das alles konstruktiv hinbekommt...

Danke nochmal
Viele Grüsse
Peter


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