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Zum Streiten gehören zwei
Wie oft haben wir diesen Satz gehört. Ich gestehe, auch ich habe ihn häufig verwendet. Es ist ja für den Dritten ein ungeheuer beruhigendes Gefühl, wenn die anderen beiden gleich Schuld sind. Gemeinsam mit dem, der den Streit eigentlich begonnen hat, ergibt sich eine demokratische Mehrheit und der nunmehr Dritte ist überstimmt.
Mir ist heute klar geworden, dieser Satz ist ein gemeiner Trugschluß ist. Ähnlich der Neutralitätslüge Österreichs, das ja in Wirklichkeit nie neutral war (siehe NATO-Abhörstationen in Österreich zur Zeit des kalten Krieges). Der bequeme Ausweg des "neutralen" Dritten, sich auf die Seite des stärkeren Aggressors zu schlagen, ohne selbst dabei zu Schaden zu kommen, ja ohne Aufwand vom Konflikt noch zu profitieren. Nein. Zum Streiten reicht einer. Allerdings gilt umgekehrt: Für den Frieden braucht es beide! Bräuchte es nämlich wirklich zum Streiten zwei, und reichte eventuell für den Frieden schon einer, wäre es verdammt viel friedlicher auf diesem Planeten. Ich weiß, eigentlich Philosophie aus dem Reich der Binse, aber wann habt ihr zum letzten Mal diese "Weisheit" wie im Titel formuliert verkündet? |
Bei diesem Satz ist aber keine Schuldzuweisung inbegriffen. Denn zum Streiten bedarf es tatsächlich immer zwei, da sobald eine Partei die andere ignoriert, kein Streit entstehen kann.
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Damit hat wieder der Angegriffene die Verantwortung, nicht wahr?
Also wer eine Ohrfeige bekommt, hat gefälligst ruhig zu bleiben, denn wenn er sich wehrt, wird er zur mit verantwortlichen Streitpartei? |
Du verbindest immer eine Schuldzuweisung mit diesem Satz. Aber ein Streit basiert ganz einfach nur auf Aktion und Reaktion. Ohne Reaktion, kein Streit.
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Ich ziehe den Begriff der Verantwortung dem der Schuld vor, aber es ist ja sogar so, dass es den Begriff der Autoaggression gibt, also jemand, der wirklich nur alleine auf sich selbst losgeht. Der Selbstmörder als Gegensatz zum Mörder. Die Aggression gegenüber einem anderen ist also auch keine zulässige Verallgemeinerung.
Da es aber immer um Verantwortung geht, reicht die Betrachtung der Anzahl der Parteien nicht. Es wird also in der Praxis mit diesem Satz sehr wohl ständig die Verantwortung gleichmäßig aufgeteilt, sonst wäre er nicht so beliebt und verbreitet - damit soll schon was tieferes erkannt werden - scheinbar... Es hat ja auch keine sinnvolle Bedeutung zu sagen, für einen Mord braucht es auch ein Opfer. |
Nenn es Verantwortung, wenn dir Schuld nicht gefällt. Hat aber mit diesem Satz und seiner Bedeutung im allgemeinen sprachlichen Gebrauch trotzdem nichts zu tun. Den "Anderen" muß man nicht als andere Person sehen. Dies kann, bezogen auf dein Beispiel Selbstmord bzw. Aggression gegen sich selbst, ein personifizierter Lebensumstand sein, dem man nicht gerecht werden kann/will. Und bei einem Mord gibt es ein Opfer.
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OK, Du bist also der Meinung, im allgemeinen Sprachgebrauch geht es dabei nicht im geringsten um Verantwortung.
Zur Kenntnis genommen, aber nicht nachvollziehbar für mich. |
Warum nicht? Wo siehst du die Möglichkeit, dies in diese vier simplen Wörter reinzuinterpretieren? Würde es heißen "Um einen Streit zu beginnen, gehören zwei" wäre es möglich eine Verantwortungsfrage zu stellen. Aber hier es geht es um den (laufenden) Streit an sich, wo sich die Frage nach dem "Warum?" nicht stellt.
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Da ein Streit etwas zu beendendes ist und das Warum dafür maßgeblich ist, sehe ich keinen Sinn darin, einen Streit auch nur theoretisch ohne sein Warum zu betrachten. Aber Dir sei das unbenommen.
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Du interpretierst wieder einen Schuldigen oder Verantwortlichen in diese simple Redewendung. Ich habe dir doch ein Beispiel genannt, in dem deine Interpretation gerechtfertigt ist.
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Ich spreche nicht von meiner Interpretation sondern aus meiner Beobachtung der Welt da draußen - wie und wofür dieser Satz eingesetzt wird. Offenbar sehe ich etwas anderes als Du.
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Das wirst du aber mit zerreden auch nicht ändern können, für was dieser Satz eingesetzt wird.
Ich hab dich jedoch wissen lassen, für was er steht und was andere damit machen, kann uns wurscht sein. |
Zitat:
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Was ist für dich eine sinnvolle Antwort? Denn selbst dies ist ein subjektiver Eindruck. Somit wird dich nie jemand zufrieden stellen können, der nicht den gleichen Gedankengang bzw. Empfinden wie du selbst hast.
Somit in meinen Augen: KS |
Zitat:
Dialektik ist ein Spiel aus Argument und Gegenargument, dabei steht anfangs keinesfalls die Synthese im Vordergrund sondern das Ausloten eines Sachverhaltes. Und es ist keinesfalls gesichert bzw. zu erwarten, dass in jeder Frage eine Synthese, also ein sogenannter gemeinsamer Nenner, zu finden ist. So what? Auch in der Mathematik sind jene Bereiche am Interessantesten, wo noch nicht der letzte Beweis schon endgültig formuliert ist. |
Wenns dich glücklich macht.
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@ Don:
Ich kann mich nicht des Eindrucks verwehren, dass Du uns noch lange nicht all Deine Gedanken präsentiert hast. Irgendwie "springst" Du mir mit Deinen Gedanken zu viel herum, als dass ich Dir wirklich folgen könnte: Zitat:
Mag sein, dass Du Dich als Außenstehender eher auf die Seite des vermeintlich Stärkeren schlägst, wenn Du die Worte "Zum Streiten gehören zwei" äußerst. Ich muss gestehen, dass ich diese 4 Worte - wenn überhaupt - nur absolut sparsam verwende. Selbst nach längerem Nachdenken fällt mir keine Situation ein, wo ich diese Worte je verwendet hätte. Und im Gegensatz zu Dir, bin ich genau konträr: Da ich selber immer und immer wieder das Gefühl habe, der Unterlegene in einer Streitsache zu sein, fühle ich mich in der Regel eher dem Schwächeren der Beiden hingezogen (so es mein Gewissen zulässt). Zitat:
Zitat:
Die Wikipedia schreibt dazu wie folgt (auszugsweise; Hervorhebung durch mich): Zitat:
Nach dieser Definition ist es nun mal tatsächlich so, dass es zum Streiten immer Zwei benötigt. Wobei ich keine Ahnung habe, ob ein schizophrener Mensch auch mit sich selbst streiten kann. Ich fürchte, Du bringst bei Deinen Überlegungen einige Details etwas durcheinander. Bevor es zum "Streit" kommt, gibt es Jemanden, der den Streit erstmal provoziert, wobei es nicht wichtig ist, ob diese Provokation bewusst vorgenommen wurde oder "einfach passiert" ist. Der Provozierte ist jetzt der Partner, der die Provokation zum Streit erhebt oder auch nicht. Das kommt ganz und gar auf dessen Reaktion an. Aber immer gilt: Damit daraus tatsächlich ein Streit wird, braucht es beide Parteien. Einer alleine reicht definitiv nicht. Zitat:
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Nochmal: lowrider und wiki haben im Prinzip natürlich recht. Mir geht es aber um den praktischen Gebrauch dieser - wie ich es gerne benennen will: Killerphrase für die vernünftige Aufarbeitung eines Konfliktes. |
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@Don
Bist du im Kinderbereich ständig unterwegs? Denn eigentlich wird es in meinem Umfeld nur da angewendet. Meist als erste Reaktion auf das klassische: "Aber der hat angefangen." |
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Du siehst es als ungerecht, ich als Erziehung zur Selbstständigkeit.
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"Ungerecht" ist natürlich eine Verkürzung. Um genau zu sein, bräuchte ich dafür Absätze ;) Aber lassen wir es einmal dennoch so stehen. Wenn also von zwei streitenden Kindern mindestens eines die Eltern um die Hilfe der Supervision bittet und selbige mit diesem Satz kalt abgedreht wird, führt das Deiner Meinung nach zur Selbständigkeit? Ich bin da kein Experte, habe aber den Verdacht, dass sich das entwicklungspsychologisch nicht halten lässt.
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Ob es so ist, wie Du hier schreibst (unterstellst), ist nicht die Frage. Es geht darum, was die Eltern glauben, damit auszulösen. Manche Eltern meinen noch immer, eine schallende Ohrfeige bringt den Nachwuchs auf den rechten weg. Aus der Sicht der Eltern ist der "Streit" unter Geschwistern nicht wichtig genug, um dafür Energien aufzuwenden. Ein lapidar hingeworfenes "Zum Streiten gehören Zwei" ist einfach und führt in der Regel zum Ziel (aus der Sicht der Eltern, die einfach nur ihre Ruhe haben wollen). |
Ich bezweifle, daß ein Kind nach einer Supervision sucht, sondern eher einfach nach einer Bestrafung der Gegenseite bzw. sich dadurch eine bessere Machtstellung verschafft (denn welches Kind wird nicht durch Rügen eines eher unbekannten Erwachsenen eingeschüchtert?). Und ja, es ist hilft zur Selbstständigkeit, da sie sich sonst im späteren Leben ev. auch immer auf andere verlassen würden (wobei hier aber stark das "wenn" greift). Man lernt schneller durch Herausforderung und Scheitern (jedoch natürlich nicht auf Dauer).
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Weder selbst als Kind, noch als Erwachsener in Begegnung mit Kindern habe ich den Eindruck, dass sich der Aggressor primär an die Eltern wendet, um für sein Handeln auch noch Unterstützung von oben zu erlangen. Mit wenigen Ausnahmen, die natürlich Aufmerksamkeit zum Durchschauen erfordern, erlebe ich das "Opfer" welches um Hilfe bittet. Das kann auch ein scheinbar Stärkerer sein, der in Wirklichkeit von einem anderen (scheinbar Schwächeren) mit Minderwertigkeitskomplex ständig gequält wird.
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Ich kann das mit der Killerphrase voll bestätigen.
Mir wurde in der Erziehung folgende Variante eingepflanzt: "Der Gscheitere gibt nach, der Esel fallt in Bach." Es kann wohl sein, dass diese Art der Konfliktvermeidung auf den Erfahrungen der damaligen älteren Generation in der Kriegs- und Vorkriegszeit beruhten. Jedenfalls musste ich mir diese Haltung im Berufsleben mühsam abtrainieren. Das ging noch leichter, weil es um "eine Sache" ging. Beim Vertreten persönlicher Interessen war es schwieriger. |
Ja, danke Dir für diese weitere Phrase. Ich glaube mich erinnern zu können, jemand hatte hier einmal in seiner sig stehen "Wenn immer die Klügeren nachgeben, regieren bald die Dummen". Und ja, ich bin da völlig Deiner Meinung, dass etwaige wesentliche kulturelle Irrtümer unserer Gesellschaft hier nach wie vor zumindest häufig auf die beiden Weltkriege zurück zu führen sind. Derartige Traumata müssen tiefe Spuren in den Menschen hinterlassen, die über Generationen weiter vererbt werden.
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Mir werden hier einfach zu viele unterschiedliche Dinge in ein und den selben Hut geworfen. Oder glaubt tatsächlich wer, dass ein Obama den vielen Streithanseln im Nahen Osten den Spruch "Zum Streiten gehören Zwei" hinwerfen würde?
LS20 hat es ganz gut getroffen mit der Verbindung zu eigenen Kindern: Dieser Spruch ist allenfalls im familiären Umfeld in Verwendung, aber niemals im geschäftlichen oder gar politischen Sphären. |
Zitat:
Selbst wenn dieser Spruch ausschließlich in genanntem familiären Umfeld gebräuchlich wäre, folgt daraus nicht zwingend, dass eine Betrachtung desselben nicht eine grundsätzliche Bedeutung für die Gesellschaft hätte. Ich denke, dass erstaunlich viele Grundsätze des Erwachsenen tatsächlich auf kindlicher Prägung beruhen. |
Naja, Du hast hier von den Weltkriegen gesprochen. Und da sehe ich genauso wenige Verbindungen wie zum Obama (oder sonstwem willkürlich genannten aus der politischen Szene).
Kinder sind jene, sie ständig mit jemanden im Nachbarschafts-Klinsch liegen und dann zum Schluss zur Mama ... äh, zum Richter laufen, um ein endgültiges "Machtwort" gesprochen zu bekommen. Und die meisten Richter agieren dann ähnlich wie es die Mama mal vorgegeben hat. Der Richter ist dann auch nur mehr bemüht, den Kontrahenten klar zu machen, dass "zum Streiten eben zwei gehören" und man sich gefälligst vertragen soll. Für meine Person kann ich sagen, dass ich nicht das Gefühl habe, in Deinem Sinne "geprägt" worden zu sein. Vielleicht kommt es auch daher, dass ich selber keine Kinder habe und daher diesen Spruch schon Ewigkeiten nicht mehr gehört/gelesen habe. |
Dazu kommt noch die Frage, ob Du Geschwister hattest. Wenn die auch mit nein zu beantworten ist, dann verstehe ich Dich noch besser.
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Kluge Eltern :) Danke für Erläuterung.
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Es kann sehr wohl auch der Aggressor um Hilfe flehen. Einfaches Beispiel: Aggressor nimmt dem spielenden Kind das Spielzeug weg. Nach einem Streit bekommt dann der Aggressor vom dem ehemals Besitzenden eine runtergehauen. Dadurch läuft der Aggressor dann zum Elternteil/Erwachsenen. Da kann man dann, falls Aussage gegen Aussage steht und den Vorfall nicht komplett mitbekommen hat mit diesem Satz kontern. Meist spielens danach sogar gemeinsam. Klassische Revierkämpfe, wie sie bei allen Tieren stattfinden.
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Zitat:
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