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Flug über die Alpen nach Cannes - schwierig?
Hallo zusammen,
bin gestern zum ersten Mal real als Pilot in Command von Freiburg nach Cannes (bei Nizza, Frankreich) mit einer Piper 28 und Passagieren geflogen. Dachte mir eigentlich nichts weiter dabei. Beim Start in Freiburg sah alles gut aus, der Hinflug nach Cannes war wunderschön, die Passagiere von der Schönheit der Alpen begeistert und beeindruckt von dem Executive-Flughafen Cannes, der eigentlich nur von reichen Privatmenschen mit Citation und Learjet angeflogen wird. Nach einer Strandpromenade gingen wir zurück zum Flugplatz, ich wollte noch kurz das Wetter checken. Habe das auch getan - GAFOR, METAR und TAFs angeschaut. Alles sah bestens aus, CAVOK überall (Zürich, Cannes, Freiburg, Lahr, Bern, Aosta, Interlaken), ich gab den Flugplan auf und wir starteten. Schon kurz nach dem Start ging es los. Innerhalb weniger Minuten war ein Gewitter genau vor mir aufgezogen, das sehr sich schnell entwickelte und auf mich zu kam. Ich wich nach Osten aus, dort sah es noch sehr schön aus. Nice Approach forderte mich aber auf, weiter nach Norden zu fliegen, um den IFR Traffic nicht zu behindern. Später dann die Freigabe, ich flog auf die italienische Seite der Alpen. Es fing an zu regnen. Die Vergaservereisung bewahrte mich vor der sicheren Vereisung und so ging es weiter. Über den Alpen dann wieder ein Gewitter. Mit der Piper 28 konnte ich die Wolken nicht übersteigen, genausowenig wie die höheren Berge. Ich flog die Täler entlang, versuchte, auszuweichen. Ein Gletscher half mir, zwischen hohen Bergen einen sicheren Druchflugweg zu finden. Beim Jungfraujoch erneut eine Wolkenbank. Nach der Überquerung des Passes sank ich sehr schnell, um sie zu unterfliegen. Erfolgreich: Hier war der schwierige Teil vorbei. Vor mir erstreckte sich der Schwarzwald mit schönen Cumuli und Sonnenschein. Nach der Überquerung des Feldberges begann ich den Anflug und landete wenig später in Freiburg. Die Anspannung ließ auch nach On-Block erst langsam nach. Ich war froh, meine Passagiere wieder auf den Boden gebracht zu haben. Danach stellte ich Überlegungen an. Was hatte ich falsch gemacht? Metar, Taf war alles im grünen Bereicht, GAFOR sowieso. Hätte ich mir eine Significant- Weather-Chart anschauen sollen? Den Niederschlagsradar oder das Infrarot-Bild? Wie macht ihr das, wenn ich über die Alpen fliegt? Die normale Wettervorbereitung reicht wohl nicht aus. Schöne Grüße, Marcel |
Marcel, ich habe Deinen...
...spannenden Bericht einfach genossen (des einen Leid, des anderen Freud :D ). Natürlich kann Dir ein Pantoffelpilot keine Antwort darauf geben, was man noch zusätzlich an Vorbereitungen beim Alpenflug hätte machen sollen... nur ein paar naive Fragen:
Hättest Du noch umkehren können/sollen? Ich geh' mal davon aus, dass Du den Rückflug Nachmittags gemacht hast... eigentlich ja genau die passende Zeit für spontane "lokale" CB's. Hättest Du den nächsten Tag (Flug frühmorgens) abwarten können? Über'm Jungfraujoch warst Du doch bestimmt schon am Rande der Dienstgipfelhöhe... wenn ich da ein Gewitter vor mir hätte würde ich vermutlich nur noch leise vor mich hin schluchzen :heul: Schöner Bericht, Danke - im Flusi ist so ein Flug halt nur "spannend", aber real und mit Passgieren - bestimmt kein Zuckerschlecken. Viele Grüsse Peter |
re
Hallo Peterle,
du hast wohl Recht, eine Umkehr habe ich durchaus in Betracht gezogen und sogar Nice Approach gemeldet, aber es gab halt immer Stellen, die eigentlich sehr gut vom Wetter her aussahen. Außerdem hatte ich damit gerechnet, dass das Wetter in den nächsten Tagen noch schlechter wird, sodass ich in Cannes festsitze. Du hast allerdings Recht, es war Nachmittag, und die CBs haben sich gebildet. Es ist durchaus ein komisches Gefühl, wenn ein paar hundert Meter neben einem ein Blitz entsteht. Das Jungfraujoch war nicht mal so das Problem, auch wenn ich beim Überflug die Personen in der Bergstation erkannt habe. Da gab es andere Gebirgszüge, die schwieriger waren. Und in der Höhe steigt die Piper wirklich nicht mehr und fliegt sehr langsam. Doch was für ein Fazit soll ich ziehen? Die Wettervorhersage war soweit gut. Die Alpen scheinen einfach ein gefährliches Gebiet zu bleiben. Schöne Grüße, Marcel |
Als Laie gefragt:
Hat man in Cannes Internet (ich glaub, ich hab mal sowas gehört, kann mich natürlich irren). Wenn's ein aktuelles Satellitenbild gibt, könnte man da reinschauen? Die FU Berlin hatte früher sehr gute Aufnahmen der umlaufenden Satelliten, auf denen man auch lokale CB's bestens erkennen kann (sehr weiss, mit einer Art "Dunst-Halo" - aber im vis-Bild, nicht im IR-Bild).
Oder... ins Rhonetal "fliehen" und dann via Genfer See nach Norden und so den hohen Steinen ausweichen? Ich weiss, das sagt sich alles so leicht... keine Ahnung, was ich an Deiner Stelle wirklich gemacht hätte. Irgendwann kann man natürlich auch so ausführlich planen, dass man schon für die Vobereitung einer Platzrunde 5 Stunden braucht ;) Als alter (jaja :D ) Bergfex halte ich persönlich die Alpen je nach Wetter für extrem gefährlich, auch mit festem Boden unter den Füssen, um so mehr in der Luft - Hut ab, dass Du das hinbekommen hast! :) Viele Grüsse Peter (der trotzdem jeden Alpenflieger beneidet) |
Ja, in Cannes gibt es ein Self-Briefing Center mit Internet. Ich hätte durchaus ein Satellitenbild anschauen können (Infrarot, Niederschlagsradar), habe es aber nicht getan, weil METAR und TAF so gut war.
Daraus habe ich sicherlich gelernt. Die Alpen sind für Flugzeuge dieser Kathegorie wirklich gefährlich - mit Passagieren hätte ich diesen Flug nicht durchführen dürfen - das kann man einfach nicht verantworten. Ich habe mich wohl überschätzt. Ich empfehle deshalb gerade Anfängern oder frischen Scheininhabern, sich langsam vortasten, Erfahrung sammeln und eine wirklich komplette Wettervorhersage einzuholen und nicht nur morgens vor dem Hinflug, sondern auch beim Rückflug. So viel Zeit muss sein. Schöne Grüße, Marcel |
Der mir bekannte Extremfall...
... der in den Alpen unterschätzten Wettergefahren (am Boden!) fand in den 60ern statt, als im Sommer nach bestem Wetter ein unerwarteter Schneesturm auf dem Dachstein-Plateau auf nur 2100m (7000ft) eine ganze Schulklasse samt Lehrern ausgelöscht hat. Die haben gar kein Extremklettern geübt, sind einfach nur "spazieren gegangen", vielleicht drei km von der nächsten Hütte entfernt. Ich selbst hab' zweimal IN einem Berggewitter gesessen - danke, wenn die Blitze UNTER einem herprasseln und sich schon die Haare wegen der Elektrostatik sträuben... nee, muss nicht sein.
Wenn ich mir dann noch vorstelle, sowas in der Luft... man sollte sich anstatt für den Flugsport vielleicht doch eher für's Extrem-Stricken begeistern? :eek: Nee! Ganz bestimmt nicht! :) Viele Grüsse Peter |
Re: Der mir bekannte Extremfall...
Zitat:
Fliegen ist trotzdem für mich das Schönste, hier kannst du die Freiheit wirklich genießen, und wenn du über den Wolken bist ist die Freiheit ja bekanntlich grenzenlos, und so fühlt man sich auch. Insgesamt ist für mich mit der Fliegerei ein Traum in Erfüllung gegangen. Natürlich trägt man viel Verantwortung und ist stets konzentriert, aber es ist auch das schönste Gefühl der Welt, nach einem erfolgreichen Flug und einer schönen Landung aus dem Flieger zu steigen und sich zu sagen: 'Das hast du gut gemacht'. Schöne Grüße, Marcel |
Marcel,
besser kann man's nicht sagen :)
Peter :bier: |
Marcel
ich finde es gut dass Du Dich so ernsthaft mit der Situation - auch nach ihrer Bewältigung - auseinandergesetzt hast und somit auch zu einem für Dich brauchbaren Abschluß gekommen bist. Dir wird während Deiner Ausbildung niemand gesagt haben dass mit Aushändigung des Scheines der Lernprozess aufhört. Gut, wenn man - wie Du - für solche Lehren der Natur alle Sinne bereithält und in Ihr das gezähmt geglaubte Untier sieht - strotzend vor Kraft und Schönheit. Die Natur, die uns in Ihrem Element duldet, nährt, verzückt und...nicht selten tötet. Würdest Du uns Deinen Flugplan zum Nachfliegen bereitstellen? Nach mgl. mit Loadsheet? |
Hallo Marcel,
was mich interessiert, hast Du jemals eine Alpeneinweisung gemacht, und wenn ja, in welchem Umfang wurde das Thema Alpenmeteorologie abgehandelt? Gruß, Wolfgang |
re
Hallo Wolfgang,
ich habe eine Alpeneinweisung mit einem sehr erfahrenen Piloten gemacht, allerdings die Alpen nicht überquert. Er hat mich damals auf die Wetterrisiken aufmerksam gemacht - allerdings nützt das wenig, wenn sich das Gewitter so schnell entwickelt. Übrigens gibt es rechtlich gesehen keine "Alpen-Einweisung". Sie basiert komplett auf freiwilliger Basis - entgegen einer weitverbreiteten Meinung ist sie nicht obligatorisch. Im Flugplan hatte ich EDTF- WIL VOR- Aosta (weiß Kennung nicht auswendig) und Cannes eingegeben, außerdem unter Bemerkungen die Überquerungszeiten der Landesgrenzen vermerkt. |
Hallo Marcel,
richtig, eine Alpeneinweisung ist - leider- nicht obligatorisch, zumindest nicht in D. Bei einer solchen Einweisung, die ich auch schon lange plane, sollte aber auch eine gründliche Einweisung in die Vorbereitung eines Alpenfluges gehören, und dazu gehört sicher ein etwas tieferer Einblick in die besonderen Wetterverhältnisse dieses Raumes, und wo man die entsprechenden Informationen erhält. Dein Bericht gleicht einer Unzahl von Unfallschilderungen, und der Flug hätte sicher mit so einem Bericht ein unrühmliches Ende finden können. Für mich jedenfalls eine deutliche Warnung. Danke dafür! Nichts ist schlimmer als der Drang nach Hause. Ist mir auch nicht unbekannt... Gruß, Wolfgang |
Ja,
die Alpen werden auch zu Fuß oft unterschätzt. Ich erinnere mich an eine Tour, wo nach einer halben Nacht auf rund 2000m 30cm Neuschnee lagen. Es war August. Wer dann den Weg nicht weiß oder mit Sandalen unterwegs ist, weil ja eigentlich Sommer war... Weil das Wetter schließlich von oben kommt, gilt für die Fliegerei in den Alpen sicherlich Ähnliches. Darf ich ehrlich sein? Ich war zwar nicht dabei, aber nach den Schilderungen halte ich den Rückweg für grob fahrlässig. Das heißt natürlich leider nicht, daß ich mich nicht selbst darin wiederfinden könnte. Und führe uns nicht in Versuchung. Grüße, Betto |
Bei einer Alpenüberquerung würde ich mich nie auf GAFOR, METAR und TAF verlassen sondern immer eine persönliche Wetterberatung via Telefon einholen. Nach Möglichkeit sogar von mehreren Stationen. Gerade METAR und TAF geben nur die Wetterdaten der entsprechenden Airports an, nicht für das gesamte Gebiet. Wer die Alpen kennt, weiss, dass sich das Wetter innerhalb von Minuten ändern kann. Auch die in der Nähe von Gewittern herrschenden Abwinde können den Piperflug abrupt in den Bergen enden lassen.
Lieber in Cannes nicht oder nur mit der Bahn wegzukommen als nicht anzukommen. Ich halte die Wettervorbereitung von Marcel für absolut ungenügend. Gruss Bernt:confused: :confused: |
Hallo!
Hab den Bericht erst jetzt gefunden und durchgelesen.
Ich würde dir empfehlen, dich nicht nur auf METAR und Co. zu verlassen. Das sind ja nur Punktaufnahmen vom Wetter. Wie schon richtig erwähnt wurde, kanns an 2 garnicht weit entfernten Orten ser unterschiedlich sein. Ich kann dir eigentlich nur eine Seite empfehlen, die ist dafür aber wirklich super: http://profi.wetteronline.de/ Auch die Sommergewitter entstehen nicht aus heiterem Himmel. Die Luft ist meist heiß und schwül, kommt also meist aus SW. Das sind also alles Sachen, die man durchaus vorhersagen kann. Nur wann, wo, und ob überhaupt die auftreten ist halt wieder eine andere Sache. Informier dich zuerst mal über die Großwetterlage(bei der Seite gehe auf Fronten/Analysen->USAF). Da siehst eh schon wo die Luft herkommt und wie sie deshalb gelaunt ist(also kalt, trocken; heißt, schwül...) Außerdem findest du die ganzen Fronten eingezeíchnet. Dann schau dir die "CAPE" und die "Lifted Index" Karten an. Beide geben an wie groß die Wahrscheinlichkeit von Gewitern sind.(Beschreibung findest du eh auch dort). Kurz vorm Abflug kannst ja nochmal das REGENRADAR prüfen. Da sieht man sehr schön wo sich Fronten etc. befinden. Bei normalen Sommergewittern tut man sich halt schwer weil die sehr schnell in die Höhe schießen können(in 15min vom Cu zum Cb) und daher noch nicht sichtbar sind am Radar. Außerdem siehst du meist eh aus der Entfernung sehr gut, wo sich die ersten Türme bilden und wo nicht. Da musst halt dann die Route etwas abändern. Aber wie du eh gemerkt hast bleibt meist irgendwo ein Fluchtweg. Die typischen Sommergewitter sind eh meist lokal sehr eng begrentzt. Bei uns in St Johann (LOIJ) wars diesen Sommer halt so dass viel öfter Gewitterwarnungen rausgegeben wurden als dann wirklich Gewitter da waren. Sie sind also durchaus vorhersehbar, auch diese so unberechenbaren Warmluftgewitter. Und die Frontgewitter schon erst recht. Hoffe ich konnte etwas Lich ins Dunkle bringen. So gefährlich sind die Alpen dann auch wieder nicht wies überall heißt. Denn aus heiterem Himmel hat noch nie ein Schneeschauer eingesetzt...(die Geschichte mit der Schulklasse kannte ich übrigens, die sind leider alle gestorben:( )...man muss sich halt informieren und auch unterm Wandern oder Fliegen die Augen auch manchmal nach oben richten. Grüße, Harri |
Hallo Marcel,
nach all den fundierten Beiträgen kann ich als "fliegender Klappstuhl" am norddeutschen PC nicht allzuviel Konstruktives sagen, was Dir wirklich weiter helfen könnte. Aber ich erinnere mich, mal im TV einen Bericht über einen kleinen süddeutschen Schulflugplatz gesehen zu haben. Dort wurde gesagt, dass ein großer Bestandteil der Schulung darin besteht, Alpenüberquerungen zu behandeln. (Was wohl über das normale Ausbildungspensum hinaus geht.) Aber wenn man im Allgäu einen Flugschein macht, ist es "...nur eine Frage der Zeit, dass der frischgebackene Pilot eine Alpenüberquerung wagt..." Auch eine Sendung über Gleitschirmfliegen in den Alpen war interessant und beschäftigte sich ausführlich mit den Wetterkapriolen, die wirklich spontan, kräftig, und nicht zu unterschätzen sind! Ich fand Deinen Bericht sehr interessant und weiß Deine Ehrlichkeit zu würdigen! Dieser Flug war für Dich nicht umsonst: Du hast viele Lehren draus ziehen können und wirst Deine Fähigkeiten in Zukunft somit noch etwas perfektionieren können! Ich wünsche Dir alles Gute und allzeit Happy Landings!:) |
Wichtig ist es, immer Alternativen zu haben. Und diese bereits vor dem Flug zu kennen. Sich nicht überraschen lassen. Weder vom Wetter, noch von sonst irgendwas.
Dass du ein Gewitter mit so einer Einmot nicht übersteigen kannst ist klar, wir hatten ähnliche Situationen bei der Ausbildung in Florida und konnten wirklich sehen, wie sich die Cumuli schneller türmten als wir mit dem 152stel steigen konnten. In die Täler zu fliegen ist einerseits eine gute Idee, andererseits kann es der Overkill sein. Besonders wenn man nicht alle Täler kennt in welche man einfliegt. So ein Tal kann schnell eng werden oder an dessen Ende eine hohe Bergwand haben. Im Tal umdrehen ist auch nicht so lustig, besonders wenn die Sicht nicht optimal ist. Wie bereits erwähnt worden ist, sollte der Flug in einer Zeit stattfinden, in der mit wenig Aktivität zu rechnen ist. Frühaufsteher haben es besser...;) Desweiteren kann ich nur heissestens empfehlen die Frequenz der FLugverkehrskontrolle in diesem Gebiet zu rasten, und wenn man sich nicht mehr wohl fühlt, diese zu rufen. Die Controller werden ihr möglichstes tun um dir zu helfen und geben dir auch die Möglichkeit höher zu fliegen um dir von der Gesamtsituation ein besseres Bild zu machen. Natürlich, und das ist mein letzter Punkt, halte ich es für sehr ratsam eine IFR Einschulung durchgegangen zu sein. Sprich, auch als PPLer in der Lage sein, das Flugzeug nach Instrumenten im Raum zu bewegen. Und, always happy landings! Leo |
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