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Veröffentlicht am 29.11.2006 15:52:29
Wegen des Verdachts auf Schmiergeldzahlungen bei Siemens ermitteln derzeit Behörden in sieben Ländern, die Finanzströme flossen dabei über Österreich, die Schweiz und die Karibik. Mehrere Gesellschaften auf den Virgin Islands waren Teil eines geheimen Finanzsystems, berichtet die "Süddeutsche Zeitung". Aus schwarzen Kassen erst in Österreich und später in der Schweiz flossen hohe Beträge in zahlreiche Länder. Die Ermittler gehen davon aus, dass unter anderem über eine österreichische Handelsfirma Scheinverträge mit karibischen Briefkastenfirmen abgeschlossen wurden.
Nach Informationen der "SZ" hat der Siemens-Skandal die US-Börseaufsicht SEC alarmiert. Es sei nicht ausgeschlossen, dass die amerikanische Börseaufsichtsbehörde Ermittlungen aufnehmen wird. Siemens könnten damit hohe Strafzahlungen drohen.
Firmengeflecht für Schmiergelder
Nach den Erkenntnissen von Ermittlern haben Siemens-Manager aus der Sparte Telekommunikation und deren Mitarbeiter laut Bericht vor einigen Jahren - Anfang des Jahrzehnts - ein kompliziertes Firmengeflecht konstruiert, das dazu gedient haben soll, Schmiergeldtöpfe zu installieren und Korruption zu verschleiern. Die erste Ebene bildete demnach die Siemens AG (München). Von dort wurden Millionensummen an die österreichische Khroma Handels GmbH und drei Unternehmen mit Sitz in den USA überwiesen: PromExport, Weavind und BFA Global Advisor. Diese Firmen - inklusive Khroma - hätten die zweite Ebene gebildet, die dritte habe aus mehreren Briefkastenfirmen in Tortola auf den British Virgin Islands bestanden (Eagle Invest, Tamarind Group und Electronic Technology), heißt es im SZ-Bericht weiter. Die seien insgeheim von Siemens-Leuten gesteuert worden.
Das System funktionierte laut SZ in der Regel so: Die Gesellschaften der zweiten Ebene schlossen Beraterverträge mit der Siemens AG ab. Vermutlich mit dem Segen einiger Bereichsvorstände wurde das Geld aus der Konzernkasse ohne erkennbare Gegenleistung an die US-Firmen transferiert. Diese Unternehmen wiederum schlossen Scheinverträge mit den Off-Shore-Gesellschaften der dritten Ebene: So wurden der Geldfluss getarnt und die schwarzen Kassen prall gefüllt.
Gelder flossen nach Liechtenstein und in die Schweiz
Die derart gewonnenen Millionen flossen dann in der Regel nach Liechtenstein oder in die Schweiz. Es gab in einem anderen Modell auch Geldströme über Firmen in Puerto Rico, Dubai und Abu Dhabi. In beiden Fällen hätten Siemens-Manager die Millionen genutzt, so der Verdacht der Münchner Staatsanwaltschaft, um Mitarbeiter ausländischer Firmen und Behörden zu bestechen. Die Zahlungen für fiktive Beraterverträge in den Jahren 2003 und 2004 habe Siemens nach Feststellung der Behörden auch noch gewinnmindernd von der Steuer abgesetzt, derart könnte es auch noch zu unerlaubten Steuerverkürzungen beim Weltkonzern gekommen sein.
Vergleichsweise banal war laut Bericht das "Vorgängersystem" in den neunziger Jahren. Von Siemens flossen, das gestanden Beschuldigte, einige hundert Millionen Euro auf Geheimkonten in Salzburg und Innsbruck und von dort weiter in alle Welt.
"Einzelfall" weitete sich aus
Am Anfang war es nur ein Einzelfall. Die Staatsanwaltschaft von Bozen in Südtirol begann vor einigen Jahren wegen des Verdachts einer Schmiergeldzahlung zu ermitteln, mit der sich Siemens den Einstieg in den italienischen Telekommunikationsmarkt erkauft habe. Es kam 2003 und 2005 zu ersten Durchsuchungen bei dem Konzern in München, ohne konkrete Ergebnisse. Inzwischen ermitteln Fahnder aus Italien, der Schweiz und Deutschland gemeinsam wegen zahlreicher Projekte in aller Welt, bei denen Siemens bestochen haben soll. Die meisten Erkenntnisse hat inzwischen die Münchner Staatsanwaltschaft, die tausende Dokumente auswertet, die bei einer Großrazzia vor zwei Wochen beschlagnahmt worden waren, und schon etliche Beschuldigte und Zeugen vernommen hat. Mehrere Geständnisse liegen vor.
Der Verwalter der schwarzen Kassen in der Schweiz berichtete, beim früheren System mit Schwarzgeldkonten in Österreich sei auch der (1998 verstorbene) nigerianische Diktator Sani Abacha bestochen worden. Über Konten bei Raiffeisen Salzburg sollen einem Bericht der "Salzburger Nachrichten" zufolge 75 bis 100 Mio. Euro geflossen sein. Bereits im Februar 2001 sei im Zusammenhang mit Nigeria und dem Namen Abacha auf richterliche Anordnung hin beim Raiffeisenverband Salzburg ein Konto geöffnet worden.
Auch später sei Geld nach Nigeria geflossen, zeitweise zehn Millionen Euro im Jahr, hieß es weiter. Ein anderer Beschuldigter, der ebenfalls ein Geständnis ablegte, nannte noch eine andere Größenordnung. Nigeria habe zu den Staaten gezählt, in denen sicher mehr als 100 Leute geschmiert worden seien. Dieser Beschuldigte hatte nach eigenen Angaben in den neunziger Jahren hohe Summen auf Schwarzgeldkonten bei der Raiffeisenlandesbank Tirol AG in Innsbruck eingezahlt. Von Innsbruck gingen die Mittel in alle Welt. In Kontoauszügen, die den Ermittlern vorliegen, sind zahlreiche Überweisungen der SZ zufolge nach Nigeria dokumentiert.
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