Willkommen bei WCM
Um alle Funktionen dieser Website nutzen zu können müssen Sie sich Einloggen oder Registrieren. Die Registrierung ist unverbindlich und dauert nur einen Moment.
Software
Veröffentlicht am 06.07.2005 15:03:43
Einen solche Ausgang hatten Beobachter kaum mehr für möglich gehalten. Am Mittwoch, den 6. Juli, versetzte das EU-Parlament in Brüssel der überaus umstrittenen Richtlinie über die Patentierbarkeit von Software den Todesstoß. Zwar hatten bis zuletzt Lobbyisten der Industrie versucht, auf die Volksvertreter entscheidenden Einfluss auszuüben. Zuletzt herrscht dann aber überraschende Einigkeit darüber, dass keine Richtlinie besser ist als eine schlechte.

?Ganz anders äußerte sich zuletzt Bruce Perens, Führungspersönlichkeit der Open Source Initiative. Der ehemaliger Projektleiter für Debian und Hauptautor der Open Source Definition verdeutlichte die befürchteten, negativen Auswirkungen einer freizügigeren Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen: „Es ist schlecht für den Kunden, wenn die Anbieter Innovation durch Jurisdiktion ersetzen. Die Leute sollen auf der Basis der Qualität und Funktion ihrer Produkte konkurrieren und das Patentsystem nicht dazu missbrauchen, sich gegenseitig vom Markt auszuschließen und Monopole zu schaffen.“
Der erbitterte Streit um die Patentierbarkeit sogenannten Computerimplementierter Erfindungen dauerte nun zweieinhalb Jahre. Kern der Auseinandersetzung ist die Frage, inwieweit Software, und damit letztlich Logik und Ideen, Gegenstand einer Patentierbarkeit sein können. Mit dem Patent als staatliche garantiertes Monopol sind Hersteller in der Lage, ihre Produkte mit umfassenden, rechtlichen Zäunen gegen ähnliche Werke der Mitbewerber zu sichern.
Egal ob Waschmaschine oder Navigationssystem: Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung wächst die Bedeutung der Software in Alltagsprodukten. Weiterentwicklungen spielen sich immer mehr im Bereich der implementierten Software ab, und immer weniger in rein physischer Technik. Branchenriesen wie Microsoft, IBM oder Nokia verlangen deshalb, den Patentschutz stärker in den Bereich der Software hinein auszudehnen. Gegner dieser Bestrebungen warnen jedoch vor schwerwiegenden Gefahren für die gesamte Softwarebranche. Ein Branchenprimus wie etwas Microsoft würde sich gezielt durch Patente abschotten, und gerade für kleinere Entwickler würde das Programmieren mehr und mehr zu einem kaum tragbaren Ritt durch ein juristisches Minenfeld. Vielfach verdeutlichen in den USA und in der EU bisher erteilte Patente die Möglichkeiten eines Missbrauchs. Triviale Ideen, die kaum die Bezeichnung als Erfindung verdienen, können als Patente gesichert werden, nur um anschließend gegen Mitbewerber wegen Verletzung dieser trivialen und damit naheliegenden Ideen vorzugehen.
Klarheit über die Möglichkeiten und Grenzen der Patentierbarkeit von Software sollte die Richtlinie „über die Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen“ liefern. Gegner der Richtlinie verwiesen auf die ihrer Meinung nach deutlich zu weit gehenden Möglichkeiten, Software patentieren zu lassen.
Lobbyisten der Industrie kämpften hingegen für das Durchwinken der Richtlinie. Zwar behaupteten die Befürworter des umstrittenen Paragrafenwerks ebenfalls, reine Softwarepatente abzulehnen. Gleichwohl kämpfte die Industriefraktion vehement für eine solche unscharfe Definition der Erfindung, dass reine Softwarepatente eben doch umfasst wären. Nicht nur deshalb bezichtigten schließlich beide Seiten sich gegenseitig der wahrheitswidrigen und unfairen Argumentation.
„Die Emotionen sind derzeit so aufgeladen, dass keine rationale Entscheidung möglich ist“, konstatierten im Vorfeld der mit Spannung erwarteten Diskussion Vertreter der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP). Von intensiven Protesten außerhalb des Plenarsaals begleitet, sorgten auch die Volksvertreter selbst im Vorfeld der Abstimmung für Unruhe. Denn zahlreiche Änderungsanträge heizten die Stimmung auf.
Für Aussehen sorgten die Änderungswünsche des parlamentarischen Berichterstatters Michel Rocard. Der französischen Ex-Premier brachte als Kompromissversuch parallel mit Vertretern unter anderem der Sozialdemokraten, der Grünen sowie linker wie rechter Randfraktionen insgesamt 21 Änderungswünsche ein. Die Korrekturpunkte des Sozialisten zielten auf eine Einschränkung der Patentierbarkeit ab. Insbesondere Patente auf Ideen oder mathematische Formeln wären nicht möglich. Doch für Rocards Vorschläge fand sich im Vorfeld der Abstimmung knapp keine Mehrheit.
Mit der Erkenntnis, dass dann keine Richtlinie besser sei als eine schlechte, wandten sich die Fraktionen schließlich gegen die Richtlinie. „Wir werden dagegen stimmen“, verkündete der Vorsitzende der sozialistischen Fraktion, Martin Schulz (SPD), schließlich. Zuvor hatten bereits die Grünen und die Liberalen sich schließlich gegen die Richtlinie ausgesprochen, und als sich dann auch mit der EVP die größte Gruppe im Parlament gegen die Richtlinie stellte, war die kaum noch für möglich gehaltene Ablehnung der Richtlinie sicher.
Mit überwältigender Mehrheit von 648 von 680 abgegebenen Stimmen beerdigten die Volksvertreten schließlich die Richtlinie. Gegen den Willen der Industrie bleibt es damit auf absehbare Zeit beim Status Quo: Computerprogramme werden ähnlich wie Bücher oder Musikstücke durch das Urheberrecht, nicht aber durch zusätzliche Patente gesichert.
Marc Störing
« TechEd 2005 Europe: Sybari Antigen Management Pack für MOM 2005 verfügbar · Sensationelles Aus für umstrittene Patentrichtlinie
· Videoseven mit günstigem 19 Zoll TFT »