Web 2.0 fordert Unternehmens-PR heraus Veröffentlicht am: 29.01.2007 11:02:08 Diskussions-Foren, Online-Tagebücher und Bewertungs-Portale: Der Boom bei so genannten Web 2.0-Anwendungen stellt die herkömmliche Unternehmenskommunikation vor neue Herausforderungen. Denn noch nie war der gute Ruf einer Firma durch die moderne - und ungleich effektivere - Form der Mundpropaganda stärker in Gefahr als jetzt. Wer den aktiven Internet-User aber ernst nimmt, kann sich über Wettbewerbsvorteile freuen, gaben sich Experten bei einer Podiumsdiskussion im Rahmen der APA-E-Business-Community in Wien überzeugt. "Die Unternehmen sind sensibler geworden. Denn Reputation ist in Zeiten gesättigter Märkte und austauschbarer Produkte ein wichtiges Gut", erklärte Clemens Pig, Geschäftsführer von MediaWatch, Institut für Medienanalysen. Blogs - "die Piratensender des Internets" - könnten einem Produkt oder einer Dienstleistung zum Erfolg verhelfen oder es zum Scheitern verurteilen, noch bevor die klassischen Medien breit darüber berichten. Der gegenwärtige Boom bei Web 2.0 sei der Vorbote einer neuen Ära gesellschaftlicher Kommunikation, die das Reputation Management nachhaltig beeinflusse. "Blogger und andere Verfasser von User Generated Content sind somit als neue Zielgruppe für Unternehmenskommunikation zu sehen", so Pig. Allerdings würden zahlreiche Unternehmen dazu verleitet, in einen "Blog-Aktionismus" zu verfallen, ohne die Grundprinzipien zu verstehen. Hohe Glaubwürdigkeit von Nutzerkommentaren Eigene Mitarbeiter positive Bewertungen über das Unternehmen abgeben zu lassen oder das Thema komplett zu ignorieren sei "ein Schuss nach hinten". Denn das Vertrauen in Webseiten mit Nutzerkommentaren habe laut Studien in Europa bereits die Glaubwürdigkeit von Zeitungsartikeln überholt. Dass die Kommunikation dadurch immer unberechenbarer wird, räumt Pig ein. "Aber trotzdem darf Web 2.0 nicht als vorübergehender Hype betrachtet werden." Die Frage sei, ob das eigene Unternehmen überhaupt ausreichend Kompetenzen und Ressourcen habe, um auf diese Weise mit den Kunden zu kommunizieren, ergänzte Thomas Lutz, Unternehmenssprecher von Microsoft Österreich. Außerdem müsste den Betrieben bewusst sein, dass sie damit die Kontrolle teilweise aus der Hand geben. "Es ist ein Irrglaube, dass man Blogs überwachen kann. Das ist wie der Versuch, Zahnpasta wieder in die Tube zu bekommen", so Lutz. Microsoft habe beispielsweise 4.000 Corporate Blogger, aber keinen Kodex - "da zählt der Hausverstand". Ein Unternehmen, das Online-Tagebücher betreibe, müsse vor allem authentisch sein. "Blogs, die von PR-Agenturen geschrieben werden, sind wahrscheinlich leicht zu durchschauen. Und dann ist der gute Ruf ruiniert", glaubt Lutz. Die größten Hemmnisse sind aus seiner Sicht der Mangel an Zeit, Probleme bei den Inhalten sowie der Kontrollverlust. "Die Killer-Applikation bei Blogs ist die Beziehungspflege", ist der Unternehmenssprecher überzeugt. Umgang mit Kritik in Foren wird lockerer "Ob man es mag oder nicht: Als Marketer und Öffentlichkeitsarbeiter muss man die Kommunikationskanäle nutzen, die sich anbieten", so Wolfgang Giegler, Geschäftsführer von Ideal Communications. Auch der Umgang mit Kritik in Foren und Blogs habe sich verändert: "Was vor ein paar Jahren noch für Aufregung gesorgt hat, wird jetzt viel professioneller gesehen. Die User sagen sowieso, was sie wollen." Unternehmen und Organisation müssten beim Thema Online-Konversation allerdings noch viel lernen. "Firmenblindheit, rein affirmatives Behaupten und Verteidigen sind dabei wenig gefragt. Wichtig ist, Kritik aushalten zu können, medienkompetent zu sein und Emotionen rüberzubringen", erklärte Giegler. Mit Widerständen konfrontiert ist teilweise auch die Preisvergleichsseite Geizhals.at. "Wir sitzen zwischen zwei Stühlen: Einerseits sind die Händler oft über Kritik der User in den Foren verärgert und drohen auch schon mal mit Klagen, andererseits sind Transparenz und Meinungsfreiheit für uns das höchste Gut", stellte Marketing-Leiterin Vera Pesata fest. Der Wunsch der Unternehmen, alles kontrollieren zu können, sei der falsche Weg. Offene Kritik dürfe nicht als Bedrohung gesehen werden, sondern als große Chance, mit dem Kunden Kontakt aufzunehmen, daraus zu lernen und entsprechende Maßnahmen zur Verbesserung zu ergreifen. "Entweder reitet man auf der Welle oder wird überrollt", so Pesata. Für ein aktives Management der Online-Reputation spricht sich auch Manuel Aghamanoukjan vom Portalspezialisten Gentics aus. "Bisher galt die Faustregel, dass hinter einem unzufriedenen Kunden, der sich beschwert, 1.000 weitere stehen. Mit dem Aufkommen von Blogs und sozialen Netzwerken hat sich dieses Verhältnis vervielfacht." Wichtig seien vor allem Transparenz und die offensive Kommunikation nach außen über Corporate und Personal Blogs. Für Klein- und Mittelunternehmen biete sich die Chance, die Kommunikation mit den Kunden zu einem Bruchteil der Kosten von konventionellem Off- und Online-Marketing verbreitern und vertiefen zu können. (apa) |