Berichte über das neue Mediengesetz sorgen für Verwirrung
Veröffentlicht am: 20.05.2005 12:19:49

Volk der Medieninhaber - Zunächst haben die Fußball-EM in Österreich und der Schweiz den Nationalrat in den Abendstunden des 12.5. beschäftigt. Nach dem Projekt „Nachhaltige Fußball-Europameisterschaft 2008“ befassten sich dann die Parlamentarier mit der Neufassung des Mediengesetzes – und machten die Österreicher zu einem Volk der Medieninhaber. Mit zahlreichen Fallstricken und Verpflichtungen. Und insbesondere vielen Unklarheiten.

Das Mediengesetz (MedienG) schützt vor der Verletzung des persönlichen Lebensbereiches, vor Verletzung der Unschuldsvermutung und vor verbotener Berichterstattung. In der Debatte am 12.5. stimmten alle Fraktionen nun für eine umfassende Novellierung des Gesetzes.
Die Neufassung unterwirft dem Medienrecht auch Inhalte, die elektronisch übermittelt werden. So wird etwa klar gestellt, dass auch Massen-E-Mails und Homepages Medien sind. Auch trifft das MedienG nun Regelungen, wer bei Diskussionsforen als Medieninhaber haftbar gemacht werden kann. Dafür waren neue Instrumente erforderlich, da die klassischen und noch auf Printmedien zugeschnittenen Möglichkeiten der Beschlagnahme oder der Einziehung nicht mehr greifen. Die zum 1.7. in Kraft tretenden Änderungen sind damit weitreichend: Was bisher eine für den Bürger nicht relevante Spezialmaterie war, wird nun schnell für den typischen Internetnutzer bedeutsam, wenn er nur eine Homepage betreibt.
Die mit der Novelle des MedienG neueingefügte Nr. 5a des § 1 betrachtet Websites und auch mindestens quartalsweise erscheinende Newsletter als elektronisches Medium und den Betreiber oder Versender als Medieninhaber. Doch weniger dürfen österreichische Webseitenbetreiber sich nun über ihren neu gewonnenen Titel freuen, als dass sie die damit einhergehenden Gefahren beachten müssen: Eine Vielzahl von Pflichten und Ansprüchen steht den Homepagebetreibern und frischgebackenen Medieninhabern nun gegenüber. Eventuelle Gegendarstellungen müssen veröffentlicht werden, Werbung muss als solche gekennzeichnet werden, darüber hinaus ist nun auch die Offenlegungspflicht aus § 25 sowie die Urteilsveröffentlichung aus § 34 zu beachten; anstelle einer Beschlagnahme muss auf Anordnung eine Löschung von Inhalten geduldet werden. Schließlich drohen verschiedene Schadensersatzregelungen etwa im Falle von übler Nachrede, Beschimpfung, Verspottung oder Verleumdung Entschädigungszahlungen bis zu 100 000 Euro an.

Verwirrung herrschte in den ersten Tagen um eine Impressumspflicht nach § 24 MedienG: Fälschlicherweise berichteten hier zahlreiche Medien von einer allgemeinen Impressumspflicht. Die besteht mit der Novelle nun zum 1.7. jedoch nur für „wiederkehrende elektronische Medien“. Die sind nach § 1 Absatz 5a Z c MedienG neben der gerade nicht gemeinten Website nach § 1 Absatz 5a Z b MedienG ein eigener Unterfall des „periodischen elektronischen Mediums“ nach § 1 Absatz 5a MedienG.
Vielfach wurde diese feinsinnige Untergliederung glatt übersehen: Nach dem Willen des Gesetzgebers ist das „periodische“ nur eine Teilmenge des „wiederkehrenden“ elektronischen Mediums, aber eben keine Website. Damit sind weiterhin nicht grundsätzlich alle Homepages impressumspflichtig, aber zumindest nach § 25 MedienG offenlegungspflichtig: Name oder die Firma, gegebenenfalls der Unternehmensgegenstand, sowie der Wohnort oder der Sitz des Medieninhabers sind anzugeben, nicht aber die genaue Anschrift. Allzu groß ist damit der Unterschied zwischen Impressums- und Offenlegungspflicht doch nicht. Wer dagegen verstößt, muss mit einer Geldstrafe bis 2180 € rechnen. Davon unabhängig besteht weiterhin die seit Jahren bekannte Pflicht zur Führung eines Impressums nach § 5 ECG (nur) für Seiten, die im weitesten Sinne kommerziell sind. Was das E-Commerce-Gesetz (ECG) unter kommerziell meint, ist in § 3 ECG definiert: „insbesondere der Online-Vertrieb von Waren und Dienstleistungen, Online-Informationsangebote, die Online-Werbung, elektronische Suchmaschinen und Datenabfragemöglichkeiten sowie Dienste, die Informationen über ein elektronisches Netz übermitteln, die den Zugang zu einem solchen vermitteln oder die Informationen eines Nutzers speichern“.

Mit dem neuen MedienG könnte nun auch für private Teilnehmer der bisher recht unverfängliche Spaß einer eigenen Homepage schnell zum juristischen Ernstfall werden, auch ohne Impressumspflicht. Die Medieninhaber haften nach der ausdrücklichen Intention der verabschiedeten Neufassung des Gesetzes für Beeinträchtigungen, die Dritten aus dem eigenen Medium, also auch der eigenen Homepage, entstehen. Dabei ist die Haftung ähnlich einer Gefährdungshaftung verschuldensunabhängig. Relevant ist dies besonders dann, wenn weitere Personen Einfluss auf die Website des Haftenden nehmen: Beleidigungen Dritter in Gästebuchern oder rechtswidrige Foreneinträge sind typische Beispiele. Selbst den Schüler mit Hobbyhomepage und Gästebuch trifft damit nun eine journalistische Sorgfaltspflicht: Rechtswidrige Einträge müssen entfernt werden, sonst macht sich der Betreiber haftbar.
Da es auf ein Verschulden des jeweiligen Medieninhabers dabei gerade nicht ankommt, haftet etwa der Homepagebetreiber damit zukünftig auch im Falle eines Hacks. Um diese sehr weitreichenden Folgen einzudämmen, sieht die neue Fassung des MedienG jedoch eine Einschränkung vor: Zahlreiche Verpflichtungen gelten für Websites nicht, die keinen über die Darstellung des persönlichen Lebensbereiches oder die Präsentation des Medieninhabers hinausgehenden Informationsgehalt aufweisen, der geeignet ist, die öffentliche Meinungsbildung zu beeinflussen. Gleiches gilt für typische Firmenhomepages, die Produkte und Unternehmen präsentieren. Schadenersatz oder Gegendarstellung müssen solche Betreiber doch nicht fürchten.
Entsprechend unterschiedlich fallen die Ansichten zur Novelle des MedienG aus. Karin Hakl, Abgeordnete der ÖVP begrüßte die Neufassung mit Einbezug elektronischer Medien: „Endlich wird ein zeitgemäßes Mediengesetz geschaffen“. Franz Schmidbauer, Richter am LG Salzburg und als Betreiber der Seite internet4jurists.at selbst Adressat der neuen Regelungen betrachtet hingegen insbesondere die Grenzziehung zwischen voll haftenden und privilegierten, rein privaten Websites kritisch: „Bei dieser Abgrenzung handelt es sich um eine völlig neuartige Regelung, zu der es weder Judikatur noch sonst einen Anhalt gibt, wie das genau zu verstehen ist“. Schmidbauer erinnert daran, dass „im Prinzip fast alles, was wir von uns geben, geeignet ist, die Meinung des Empfängers zu beeinflussen“.
In der Tat dürfte gerade jene Abgrenzung von voll haftenden und privilegierten Seiten in Zukunft für Rechtsunsicherheit sorgen. Erörtert etwa ein Schrebergartenverein auch umweltpolitische Themen auf seiner Homepage, so gelangt er damit zur vollen Anwendung des Mediengesetzes. Andererseits gilt selbst für Großkonzerne hinsichtlich der Anpreisung eigener Produkte die Ausnahmeregelung in großzügiger Weise. Provokant fragt Schmidbauer: „Muss ein Konzern, der die Vorzüge von Babynahrungsmittel gegenüber Muttermilch anpreist, vor den Härten des Mediengesetzes geschützt werden, ein grüner Umweltaktivist, der sich über die Feinstaubbelastung Gedanken macht, aber nicht?“ Für noch größere Verwirrung könnten in Zukunft grundsätzliche Fragen zur Reichweite des MedienG führen. Denn die schon im Hinblick auf eine tatsächlich doch nicht vorhandene Impressumspflicht verwirrende Norm des § 1 Absatz 5a ist vom Textverständnis problematisch: Unter Ziffer b) führt die Norm als „periodisches elektronisches Medium“ ein Medium auf, das auf elektronischem Wege „abrufbar ist (Website)“.

Doch Rechtsexperten rätseln nun, wie diese drei Wörter überhaupt gemeint sind. Denn abrufbar sind im Internet Informationen nicht bloß von Websites, sondern auch von Newsforen, FTP-Server und gar aus P2P-Netzen. Versteht der Gesetzgeber unter „abrufbar sein“ damit – in technisch unvollständiger Weise – lediglich Websites? Oder erstreckt sich die Definition auch auf andere Formen des Internets? Dann wäre die Nennung von „Website“ lediglich ein Beispiel, bei dem der Gesetzgeber in semantischer Hinsicht aber dazugehörende Worte wie „z.B.“, „etwa“ oder „insbesondere“ vergessen hätte.
Falsch verstandene, vermeintliche Impressumspflicht, schwer mögliche Abgrenzung des Einflusses auf das Meinungsbild und insgesamt schon sprachlich unklare Reichweite: Die Neufassung des Mediengesetzes dürfte auf absehbare Zeit viel Klärungsbedarf schaffen.

Marc Störing


Quellangabe Foto: Atelier Schiffleitner
Karin Hackl - "Endlich ein zeitgemäßes Mediengesetz"


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